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Schatten im Park

Schatten im Park

Titel: Schatten im Park
Autoren: Walter Thorwartl
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ein schreckliches, grausiges Wesen. Niemand weiß, woher es kommt, was es in Wirklichkeit ist. Ein ungeheurer, schneeweißer Schatten? Der Geist eines Eisbären, der auf Rache sinnt? Ein Ding aus dem Weltall, seit Jahrhunderten im Eis eingefroren und plötzlich befreit? Die Menschen nennen es Maaru, das Polargespenst. Wenn der Wind um die Zelte heult, singt Maaru mit. Viele hören es gar nicht. Die es aber hören, werden blass und steif vor Angst. Es lockt sie mit eisiger, dünner Stimme: ‚Komm, komm zu mir! Komm zu Maaru!‘ Manche können diesem Ruf nicht widerstehen. Sie müssen hinaus zu Maaru.“
    „Und was passiert dann?“ Issi hatte große Augen bekommen.
    „Ein Glück ist, wenn du Freunde hast, die sich auf dich werfen und dich festhalten, wenn Maarus Ruf dich lockt. Gehst du hinaus, bist du verloren. Maaru wartet in der Ferne auf dich! Es lockt dich weg vom Zelt. Plötzlich findest du den Weg nicht mehr zurück. Dafür merkst du, wie etwas Weißes, Riesiges auf dich zukommt. Du bist wie gelähmt und kannst nicht davonlaufen. Maaru sieht dich lange an mit seinen toten Augen, und du weißt: Du kannst ihm nicht entkommen. Es drückt dich an sich und bricht dir alle Knochen, von Kopf bis Fuß. Es hat Erbarmen mit dir: Erst wenn du tot bist, reißt es dich mit seinen scharfen Krallen in Fetzen und frisst dich auf! Da bleiben nur mehr die blutigen Gebeine und ein paar Kleiderreste von dir übrig.“
    „Wow!“ Issi war beeindruckt gewesen. „Die Geschichte ist ein Hammer! Warum weiß man aber so genau, was Maaru mit seinen Opfern macht? Das kann ja niemand mehr erzählen!“
    Micha hatte kurz nachdenken müssen. Schließlich hatte er düster gesagt: „Maaru kommt auch in deinen Träumen zu dir. Dann weißt du es.“

Benji
    Benji hatte niemanden, der ihm das Frühstück richtete. Seine Mutter stand an den Wochentagen sehr früh auf, um in die Arbeit zu fahren, und sein „Onkel“ Richard schlief meistens bis in den Vormittag hinein. Er war derzeit arbeitslos. Benji hätte sich auch nie getraut, ihn zu wecken. Eins wusste er: „Onkel“ würde er zu dem Freund seiner Mutter nie sagen. Benji schüttete kalte Milch über das Müsli. Bevor er zu essen anfing, schlich er ins Stiegenhaus und stibitzte sich die Zeitung eines Nachbarn. Er begann mit dem Sportteil. Nichts Interessantes, auch nichts über seinen Lieblingsverein Mattersburg. Er blätterte den Lokalteil durch. Kein Raubüberfall. Kein grausiger Fund. Nur eine Kurzmeldung von einer Marienkäferplage. In den letzten Tagen waren überraschend viele Marienkäfer aufgetaucht, die in warmen Häusern überwintern wollten. Superinteressant. Benji schob die Zeitung weg. Sollte er sich ein Brot mitnehmen? Er sah im Kühlschrank nach: Da war nur Bier für seinen „Onkel“, sonst gab es nichts Brauchbares. Er seufzte, griff nach seiner Schultasche und verließ leise die Wohnung.
    Benji hatte noch viel Zeit. Er ging die lange Hauptstraße entlang, bis zum Seitenweg, der zum Park führte. Der Pavillon stand im Schatten der Bäume. Die Säulen schimmerten grau zu ihm herüber, alles andere lag im Dunkel. Benji sah sich um, dann schlug er den kurzen Weg zum Park ein. Der Rasen war mit Reif überzogen, dazwischen lagen die letzten Kastanien. „Kinderspielzeug“, dachte er verächtlich, hob aber eine auf und ließ sie gegen die Wand des Pavillons knallen. Ein dumpfes „Tock“ war die Antwort. Wenn er die paar Stufen hinaufstieg und über die Brüstung kletterte? Er hätte zu gern den Boden genauer nach verdächtigen Spuren untersucht …
    Gab es Geister wirklich? Micha lachte zwar darüber, wenn man ihn aber auf eine Gespenstergeschichte anredete, legte er gleich los. Morz glaubte nicht so recht daran. Bei Issi war das etwas anderes. Sie hatte ihm erzählt, dass in jedem Baum, im Wasser, in der Luft und in der Erde Geister hausten, ja sogar im Feuer. Er hatte nur blöd gelacht. Seitdem hatte ihm Issi nichts mehr erzählt …
    Konnte es wirklich sein, dass ein alter Spinner um den Pavillon spukte, jemand, der seinen Mördern auflauerte und auf blutige Rache sann? Benji zuckte mit den Achseln. Es gab viele böse Menschen, die andere schlecht behandelten oder gar umbrachten. Ein bisschen davon hatte er bereits selbst miterlebt. Nicht vom Umbringen, aber vom schlecht-behandelt-Werden. Er starrte auf das alte Lusthaus. Irgendetwas stimmte damit nicht. Warum wollte man sie davon fernhalten? Das mit dem Toten im Lusthaus war vielleicht nur eine Lügengeschichte –
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