Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken
Autoren: G. A. Aiken
Vom Netzwerk:
ein wenig länger, aber da sie nicht über den geringsten Hauch von Geduld verfügte, schlich sie ganz langsam näher zur Tür. Sie war nur noch ein paar Zentimeter entfernt, als die Tür aus den Angeln gerissen und von der dafür verantwortlichen Bestie beiseitegestellt wurde.
    Blayne kreischte und taumelte rückwärts, als Novikov die Toilette betrat. Mit funkelnden Augen blickte er auf sie hinunter und sagte: »Jetzt können wir uns unterhalten.«
    Sie starrte ihn schon wieder mit diesem Ausdruck an. Genauso, wie sie ihn angestarrt hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren und er sie durch das blutige Glas betrachtet hatte. Ihre braunen Augen weiteten sich, und ihre Lippen öffneten sich ganz leicht. Ein überzeugendes Brüllen von ihm, und er wäre sich sicher, dass sie sich im nächsten Moment entweder voller Verzweiflung an ihm vorbei oder auf seine Halsschlagader stürzen würde. Andererseits war er nicht allzu überrascht darüber, dass sie ihn so anstarrte. Immerhin glaubte sie, er besitze einen »Keller des Todes«.
    Schließlich erwiderte Blayne doch etwas, aber es war nicht unbedingt das, was er zu hören erwartet hatte. »Ich bezahle ganz sicher nicht für die Tür.«
    »Ich hatte auch nicht vor, sie dir in Rechnung zu stellen.«
    Sie wollte raus aus der Toilette. Das erkannte er an ihrem Blick, der immer wieder nach einem Weg an ihm vorbei suchte. Aber Bo blieb mitten im Türrahmen stehen, damit sie nicht an ihm vorbeikonnte.
    Nach einer weiteren Minute schrie sie ihn an: »Du wirst mich niemals lebend kriegen! Ich werde niemals zulassen, dass du mich irgendwohin verschleppst.«
    Bo zuckte mit den Schultern. »Okay.«
    Sie schnappte voller Entsetzen nach Luft und wich einen Schritt zurück. »Willst du mich hier töten?«
    Sollte ihn das amüsieren? Warum war er amüsiert? »Eigentlich hatte ich überhaupt nicht vor, dich zu töten.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Du willst mich nicht töten, mir die Haut abziehen und meinen Kopf als Hut tragen?«
    Ja, er war definitiv amüsiert. Und nein, das war nicht normal. Anstatt ihre Frage zu beantworten, stellte er selbst eine. »Willst du denn, dass ich das tue?«
    »Nicht wirklich.«
    »Warum fragst du dann?«
    »Weil mir laut meines Vaters, zahlreicher Lehrer und einiger Aggressionsbewältigungstherapeuten allem Anschein nach diese kleine innere Vorrichtung fehlt, die mich davon abhalten könnte, Dinge auszusprechen, die besser unausgesprochen blieben.«
    »Ich verstehe.«
    »Und?«
    »Was und?«
    Sie machte einen Schritt nach vorn. »Bist du nun ein Serienkiller oder nicht?«
    »Nicht.«
    »Du hast noch nie jemanden umgebracht?«
    »Auf dem Eis oder außerhalb?« Ihre Augen weiteten sich wieder, während er fortfuhr: »Das ist eine berechtigte Frage.« Als sie nur weiter mit offenem Mund zu ihm hochglotzte, gab er zu: »Ich habe noch nie jemanden umgebracht, weder auf dem Eis noch außerhalb, weder Mann noch Frau, Gestaltwandler oder Vollmensch.« Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und starrte zu ihm hinauf. Nach einer Weile sagte sie: »Näher.« Er beugte sich nach vorn, und sie blickte ihm direkt in die Augen. Er hielt ihrem Blick eine volle Minute stand, bevor sie verkündete: »Du lügst nicht.«
    »Ich weiß.«
    »Cool.«
    »Robben und Walrosse zählen aber nicht, richtig?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du sollst nicht urteilen«, murmelte sie zu sich selbst. »Du sollst nicht urteilen.« Dann fügte sie hinzu: »In dieser speziellen Situation zählt daumenlose Beute nicht mit, nein.«
    »Dann ist alles im grünen Bereich.«
    »Cool«, sagte sie erneut.
    Wahrscheinlich hätte er beleidigt sein sollen, weil sie ihn für einen geistesgestörten Serienkiller hielt, aber das klang nach unnötiger Anstrengung, für die er momentan nicht in Stimmung war.
    »Also«, fuhr sie fort, »da wir nun sichergestellt haben, dass du weder einen neuen Hut brauchst noch die Sammlung in deinem Kerker des Schmerzes und des Leids durch mich ergänzen willst …«
    »Ich dachte, es sei ein Keller.«
    »… warum hältst du mich dann hier auf der Toilette gefangen?«
    »Ich dachte, du hättest vielleicht mal Lust, einen Kaffee mit mir trinken zu gehen oder so.«
    Sie blinzelte irritiert. »Du willst einen …« Sie kniff die Augen zusammen. »Gwen hat dich dazu angestiftet, stimmt’s?«
    »Wer?«
    »Warum ist sie nur so besessen von diesem Mädchen? Ich meine, mal ernsthaft … sie muss doch endlich mal darüber hinwegkommen! Zu versuchen, mich mit dir zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher