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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken
Autoren: G. A. Aiken
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dem Eis gehört, und es passte dazu, dass er den Jungen mit einer verbalen Salve bedacht hatte, die selbst ein Drill Sergeant der Marines als harsch empfunden hätte. Kein Wunder, dass ihn jedes Team hasst, für das er mal gespielt hat.
    Sie hätte Mitleid mit Novikov gehabt, wäre sie nicht überzeugt davon gewesen, dass er ein Serienkiller war. Oder zumindest extrem unhöflich. Blayne hasste Unhöflichkeit. Nichts konnte sie mehr auf die Palme bringen. Ihr Vater bezeichnete sie nicht umsonst als »Miss Etikette der Ostküste«.
    Während sie ihre Hände wusch, fragte sich Blayne, was sie an sich haben mochte, das so anziehend auf Soziopathen wirkte. Auf charmante Taugenichtse, bei denen sich am Ende immer herausstellte, dass sie wegen einer Lebensversicherung ihre eigene Mutter umbringen würden oder ihren besten Freund, weil sie glaubten, dass es ihn zum Lachen bringen würde. Blayne war inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem sie ihrem Vater keine Männer mehr vorstellte, weil er diese Unterhaltungen stets mit den Worten begann: »Und unter welcher Persönlichkeitsstörung leiden Sie, für die ich Sie am Ende umbringen muss?« Diese Frage führte oft zu einem ihrer Vater-Tochter-Streits, bei denen sie sich buchstäblich so lange an die Gurgel gingen, bis Blayne irgendwann feststellte, dass der Typ sich verzogen hatte und sie wohl nie wieder von ihm hören würde.
    Sicher, all diese Typen waren … nun, was außer charmant war wohl noch eine treffende Beschreibung? Süß? Liebevoll? Ja. Das waren sie alles. Oberflächlich betrachtet. Aber wenn Blayne erst einmal unter die erste Schicht vorgedrungen war, fand sie dort meist nicht allzu viel. Novikov hingegen schien von dem Moment, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, nichts weiter zu sein als ein mächtiger Klotz von einem mordenden Hybriden. Abgesehen von seiner Mähne und seinem unübersehbaren Bedürfnis, um jeden Preis gewinnen zu müssen, verfügte er nicht über den natürlichen Löwencharme, den Gwens Brüder Mitch O’Neill Shaw und Brendon Shaw besaßen. Und im Gegensatz zu Lock MacRyrie und dessen Vater, Brody MacRyrie, war er auch weder mit einem freundlichen Charakter gesegnet noch ein ebenso hinreißender Bären-Geek.
    Wie bei allen Hybriden hatte sich auch Novikovs DNA bei beiden Elternteilen bedient und etwas vollkommen Neuartiges geschaffen.
    Aber wie dem auch sei, das war nicht ihr Problem, und es ging sie auch nichts an. Novikov bedeutete ihr nichts. Sie würde jetzt einfach in die Mannschaftskabine gehen, all ihren Freunden gratulieren und den finster dreinblickenden Hybriden auf der anderen Seite des Raumes schlicht ignorieren. Höchstwahrscheinlich folgte ihm ohnehin ein ganzer Schwarm von Frauen, und Blayne würde sich daher auch nicht schuldig fühlen, weil sie nicht nett zu ihm war.
    Sie trocknete ihre Hände mit ein paar Papierhandtüchern ab und ging zur Tür. Als sie sie öffnete und in den Flur hinaustrat, sah sie Bo Novikov mit seinem typisch finsteren Blick gegenüber der Toilette an die Wand gelehnt stehen. Sie machte auf dem Absatz kehrt, ging wieder hinein, knallte die Tür zu und schloss hinter sich ab.
    Längere Zeit war von draußen nichts zu hören, aber dann: »Irgendwann musst du da rauskommen.«
    Großer Gott, wie nüchtern er das gesagt hatte! Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er denselben Tonfall für Sätze wie »Du weißt schon, dass ich dir irgendwann die Leber rausschneiden muss?« benutzte.
    »Nein, muss ich nicht«, widersprach sie ihm durch die Tür. »Ich hab meine Hausaufgaben gemacht. Man kann allein mit Wasser gut sechzig Tage lang überleben. Außerdem ist hier eine Toilette. Theoretisch hab ich also alles, was ich brauche.«
    »Blayne …«
    Blayne schnappte nach Luft und schnitt ihm das Wort ab. »Woher weißt du, wie ich heiße? Wie lange jagst du mich schon? Ach, egal, du kannst deinen Keller und die Leichen all der Frauen, die du im Lauf der Jahre abgeschlachtet und da unten vergraben hast, einpacken und zur Hölle fahren. Denn dieses Beutetier hier, das du in deinem Kopf wahrscheinlich immer nur als ›es‹ bezeichnet hast, damit ich nichts weiter als ein Objekt für dich bleibe, wird sich nicht kampflos ergeben!«
    Blayne war richtig stolz auf ihre kleine Rede und wartete darauf, dass Novikov sich entfernte. Stattdessen hörte sie nur ein kurzes Seufzen, gefolgt von Stille, aber keine Schritte. Wo blieben die verdammten Schritte, die sich von der Toilette entfernten?
    Blayne wartete noch
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