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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe
Autoren: I Mayer-Zach
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musste, und sie war froh, dass sie Ada nichts von Kreins Geschichte erzählt hatte, sodass diese sie nicht danach fragen konnte.
    „Schade, dass du nicht weitersuchen willst. Es hat Spaß gemacht, mit dir gemeinsam zu arbeiten. Mittlerweile geht mir nämlich die Arbeit in der Agentur mächtig auf die Nerven. Wie hast du das so lange ausgehalten?“
    „Ich weiß auch nicht. Irgendwie war ich da einfach drinnen, und ich hatte ja nie viel Zeit darüber nachzudenken.“
    Sie wünschten sich alles Gute für das kommende Jahr und versprachen einander, sich so bald als möglich wieder in dem kleinen Restaurant in der Innenstadt zu treffen, wo sie so gut gegessen hatten.
    Als Paula aufgelegt hatte, stellte sie mit Entsetzen fest, dass ihr nur noch zwanzig Minuten blieben, um sich für das Silvesterkonzert im Musikvereinssaal herzurichten. Sie rannte zum Kleiderschrank, wählte ein schwarzes Cocktailkleid, fand auchsofort die glänzenden schwarzen Strümpfe, die glücklicherweise noch keine Laufmasche hatten.
    Nach genau fünfzehn Minuten war sie geduscht, hatte sich angezogen und die Haare hochgesteckt. Ein neuer Rekord. Dann legte sie ein wenig Make-up auf. Gerade als sie die Perlenohrringe angesteckt hatte, läutete Markus, der unten im Parkverbot stand. Sie rutschte in den Daunenmantel und in die gefütterten Stiefel – draußen war die Kältefront noch nicht abgezogen – und nahm die Tasche, in der die hochhackigen Lackschuhe steckten. Die Perlenkette, deren Verschluss hakte, befand sich nach einigen gescheiterten Versuchen in Paulas Manteltasche. Markus würde sie ihr im Foyer anlegen müssen.
    Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker gehörte in über fünfzig Ländern zu Silvester wie Sekt, Glückwünsche und gute Vorsätze. Dominiert von den schmissigen Walzern und Polkas von Josef und Johann Strauß würde der traditionelle Neujahrsgruß aus Wien auch diesmal von Millionen Menschen auf der ganzen Welt zum ersten Frühstück des Jahres gesehen und gehört werden. Für Paula war es der erste Pflichttermin des Jahres, bei Lachs, Sekt und knusprigem Toast.
    Die Voraufführung des musikalischen Großereignisses fand am Silvesterabend statt. Die festliche Stimmung im Saal, die Rhythmik von Wänden und Decke, Formen und Farben sperrten den Alltag aus. Paula ließ die Augen durch den prunkvollen Saal wandern. Auf dem Deckengemälde von August Eisenmenger umschwebten Genien Apollo und die neun Musen. Die blaue Grundfarbe bildete einen starken Kontrast zum Goldton des Saales und zu den weißen Plastiken. Karyatiden, die paarweise über den Dachvorsprüngen der Orgel und der Balkontüren zu schweben schienen, auf Sockeln Marmorbüsten berühmter Komponisten.
    Als der erste Applaus verebbt war und sich erwartungsvolle Stille breit machte, nahm Markus ihre Hand in die seine.

EPILOG
    Mai des darauffolgenden Jahres
    Der Eventorganisator war mit dem Ablauf der Feierlichkeiten sehr zufrieden. Es gab keine unvorhergesehenen Vorfälle, und die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Die Laudatio hielt der Bürgermeister höchstpersönlich, und weitere namhafte Festredner huldigten dem prominenten Fotografen, der national wie international einen bedeutenden Beitrag zum Ansehen seines Berufsstandes geleistet hatte. Danach scharte sich das Publikum um das exklusive Buffet. Der Schwan aus Eis, der von künstlichem Nebel umhüllt wurde, war die Attraktion. Nicht zu vergessen die ausgeklügelten Lichtinstallationen, die der Veranstaltung noch zusätzlich einen festlichen Rahmen verliehen.
    Zwischen Lachsobershäppchen und Pasteten mit Shrimps tauschten die Gäste Erinnerungen an den Geehrten des Abends aus. Nahezu jedem fiel eine nette Geschichte über den berühmten Österreicher ein, und jeder war bemüht, genügend Zuhörer dafür zu finden. Die anwesende Presse nahm die eine und andere Anekdote in die Berichterstattung auf. Die schön gestaltete Biografie, ein Bildband mit einigen Textpassagen, die alle aus Paulas Beiträgen zusammengestellt worden waren, fand reißenden Absatz.
    Der Eventorganisator nahm sich ein Glas Sekt und blickte, an eine der riesigen Säulen gelehnt, zufrieden auf das Geschehen.
    Für Paula lief das Leben wieder in den gewohnten Bahnen. Im ersten Halbjahr kamen laufend Arbeitsaufträge herein, mehrere Seminare und Workshops, ein Buchprojekt, das sie als Ghostswriterinschreiben sollte, und andere interessante Herausforderungen. Ihr Konto erholte sich rasch vom flauen Winter und den unerwartet hohen Ausgaben
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