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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe
Autoren: I Mayer-Zach
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Vielleicht hatten sie geglaubt, dass sie die Fotos gescannt und abgespeichert hatte, da sie diese nicht gefunden hatten? Oder sie wollten Paula Angst einjagen und sie dazu bringen, alle Recherchen für die Biografie einzustellen. Einen riesigen Schrecken hatten sie ihr tatsächlich eingejagt, aber damit genau das Gegenteil erreicht.
    Während Paula diese Gedanken durch den Kopf schwirrten und sie immer mehr davon überzeugt war, dass nur das die logische Erklärung für die Paranoia war, die sie ergriffen hatte, saß Santo noch immer geschockt in seinem Sessel und starrte abwechselnd Paula und Doktor Nieder an. Doch weder Paula noch Nieder sprachen ein Wort, sondern sahen sich ruhig, ja, fast gelangweilt an.
    „Ich nehme an, Ihre Leute haben mittlerweile gefunden, was sie so dringend gesucht haben?“ Die Frage aus Paulas Mund hätte freundlich geklungen, wenn da nicht dieser sarkastische Ton mitgeschwungen wäre. Denn dass Nieders Handlanger erfolglos waren, wusste sie nur zu genau. Die Fotos, die sie gesucht hatten, lagen in Kurts Kanzlei. Alles, was ihr in den letzten Wochen als verwirrend erschienen war, passte nun, in dieser neuen Konstellation perfekt zusammen.
    Nieder lächelte Paula freundlich an.
    „Frau Ender. Ich gebe zu, dass ich nun doch ein wenig irritiert bin. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Frage meinen. Ich werde langsam das Gefühl nicht los, dass Sie da einige Dinge verwechseln oder ihnen einen falschen Stellenwert einräumen. Ich weiß von Direktor Santo, dass Sie eine sehr fähige, aber gleichzeitig sehr emotionale Person sind, und deshalb will ich Ihnen nichts übel nehmen.“
    Der Mann erinnerte Paula an Profipolitiker, die, wenn sie von Journalisten mit beinharten Fragen und Vorwürfen attackiert wurden, diesen immer noch ein mildes Lächeln und leere Worthülsen anstatt einer konkreten Antwort schenkten. Nieder würde sich noch wundern, wenn ihm die Anklageschrift auf den Schreibtisch flatterte. Aber damit hatte sie nichts mehr zu tun. Sollten sich höhere Instanzen mit dem Fall auseinandersetzen.
    „Alles, was wir möchten, ist eine interessante, bilderreiche Biografie über einen prominenten Bürger unserer Stadt, der zeit seines Lebens auf künstlerischem Gebiet herausragende Leistungen erzielt hat. Meinen Sie, dass Sie uns das liefern können?“, formulierte er seine Vorstellungen. „Wir haben keinerlei Interesse an wilden Geschichten, schmutzigen Enthüllungsstorys, angesichts derer das Ansehen unserer schönen Wienerstadt und das Image unseres Unternehmens leiden könnte. Schon gar nicht, wenn es sich um das Privatleben einer Person handelt.“
    „Ja, was privat ist, dass sollte auch privat bleiben“, bestätigte Paula zynisch und meinte damit das Eindringen in ihre Privatsphäre. Santo lächelte nervös und nestelte an seiner Krawatte. Doktor Nieder freute sich über ihre vermeintliche Zustimmung.
    „Fein, ich sehe, dass Sie mich verstehen. Urbans Privatleben, seine Neigungen und Vorlieben tun hier nichts zur Sache.“
    Verschwörerisch grinste Nieder sie an. Paula fiel plötzlich die Redensart „unter einer Decke stecken“ ein und das war sicherlich nicht das, was sie sich mit Schwabbelbauch vorstellen wollte. Santo und Agentur hin oder her, das wollte sie nicht so im Raum stehen lassen.
    „Natürlich verstehe ich Sie. Ich denke sogar, dass wir beide wissen, dass ich Sie besser verstehe, als Ihnen lieb ist. Es geht hier schon lange nicht mehr um Urbans Privatleben, da müssen wir uns nichts vormachen. Hier stehen ganz anderefotografische Inhalte im Mittelpunkt als Urbans Vorliebe für junge Frauen, und die Enthüllung dieser Inhalte würde für Ihr Unternehmen weit höhere Wellen schlagen.“
    „Paula, bitte“, Santo war aufgesprungen und versuchte ihren Redefluss zu stoppen. „Du hast mir doch versprochen …“
    Erfolglos.
    „Wir beide wissen auch genau, was Ihre Leute in Urbans Atelier und in meiner Wohnung gesucht haben. Und zwar Fotos von Ihnen und einem Mitbewerber, mit denen Urban Sie garantiert erpresst hat. Er hatte schon immer die Begabung, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um seine Skandalfotos zu schießen. So war es wohl auch hier: Das Datum auf den Fotos zeigt, dass dieses freundschaftliche Treffen exakt während jener Zeit stattfand, als Ihre beiden Unternehmen offiziell um einen der größten Aufträge in den letzten Jahren buhlten. Diese Preisabsprachen haben Ihnen und Ihren Unternehmen Verträge in Millionenhöhe gebracht. Urban war ein
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