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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe
Autoren: I Mayer-Zach
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der Großveranstaltung brachte.
    „Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich bin die Schnittstelle für alle Projekte, die Direktor Santos Agentur mit unserem Unternehmen abwickelt. Es wurde mir mitgeteilt, dass Sie mit dem Abfassen der Biografie betraut wurden, was mich prinzipiell sehr freut. Allerdings ist mir auch zu Ohren gekommen, dass Sie Ihre Recherchen bereits mehrfach illegal betrieben haben.“
    Er machte eine Pause. Paula hielt, wie sie es Santo versprochen hatte, den Mund. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass sie sich nun ungefähr vorstellen konnte, wie es Urban gelungen war, die Fotos zu machen? Seit dem Vorjahr war klar, dass Comm4Syst Hauptsponsor seiner Ausstellung sein würde, seit damals kannte er Nieder. Entweder war Urban zufällig auf die Machenschaften der beiden Bosse gestoßen, oder er hatte einen Tipp von einer Verehrerin aus dem Unternehmen bekommen. Paula tippte auf weibliche Unterstützung, das passte besser zu Urban und würde auch die Frage beantworten, wie er an die internen E-Mails herangekommen war. Weiter kam Paula nicht, denn Nieder unterbrach ihre wilde Gedankenkette.
    „Unter anderem wurde mir mitgeteilt, dass Sie ohne Befugnis in ein privates Fotoatelier von Stefan Urban eingebrochen sind und dort Material entwendet haben. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Schwierigkeiten Sie sich damit einhandeln, wenn es zu einer Anzeige käme. Nicht zu reden vom Imageverlust unseres Unternehmens, wenn ein schlechtes Licht auf das Projekt fiele. Sie werden sicher verstehen, dass wir diese Unsummen nicht nur investieren, weil wir gute Menschen sind, sondern weil wir uns einen Marketingvorteil erwarten.“
    Santo sah Paula erschrocken an.
    „Und woher wollen Sie das wissen?“ Wer hatte sie verpfiffen? Ada konnte es nicht gewesen sein, oder doch? Hatte Sie Santo alles gebeichtet? Aber so entsetzt, wie er gerade dreinschaute, hatte er bis zu diesem Moment nichts vom Einbruch gewusst. Oder hatte die Znan beim Telefongespräch mit Nieder einen Verdacht geäußert? Oder waren sie von jemandem beobachtet worden, als sie im Haus waren? Ihr fiel wieder der BMW ein, den sie unweit des Ateliers gesehen hatten und der an ihnen vorbeigefahren war. Vielleicht hatte sie sich doch nicht getäuscht und er war ihnen bis vor ihre Haustür gefolgt?
    „Sagen wir so, Sie wurden dabei beobachtet, als Sie mit Ihrer Freundin aus dem Haus gekommen sind.“
    Santo starrte Paula nervös an. Die lehnte sich entspannt in ihrem Sessel zurück. Also doch!, dachte sie, damit kannst du mich aber nicht beunruhigen, du Schwabbelbauch. Denn wenn sie aufflog, dann kam auch alles andere ans Tageslicht, und genau das war es ja, was Nieder so dringend verhindern wollte. Santo warf ihr einen flehentlichen Blick zu, doch heute war das nicht einmal nötig. Paula war müde. Seitdem sie Nieder wiedererkannt hatte, war alles schlüssig, passte endlich jedes Teil perfekt zum anderen, und dieses Wissen war überaus ernüchternd. Denn seit wenigen Minuten war ihr klar, dass es nur Nieders Leute gewesen sein konnten, die nach ihr und Ada in Urbans Atelier eingedrungen waren und dort alles durchsucht und in Unordnung gebracht hatten. Paula wäre jede Wette eingegangen, dass sie die Fotos finden wollten, die Urban von den geheimen Treffen der beiden Firmenchefs, bei denen sie ihre illegalen Absprachen getroffen hatten, gemacht und mit denen er sie erpresst hatte. Und wahrscheinlich war es sogar Paula gewesen, die sie auf die Spur gebracht hatte. Denn das Gefühl, verfolgt oder beobachtet worden zu sein, erschien ihr nun nicht mehr als das Ergebnis ihrer überspannten Fantasie. Vielmehr war sie mit ihrem Bauchgefühl wieder einmal richtig gelegen.
    Nachdem sie die Fotos im Atelier nicht gefunden hatten – wie sollten sie auch, wo Urban sie schon längst bei Frieda Dietl versteckt hatte? –, dehnten sie ihre Suche auf Paulas Wohnung aus. Es musste für Nieders Spitzel ein Leichtes gewesen sein, Paulas Adresse herauszufinden, sofern sie diese noch nicht wussten. Der BMW fiel ihr wieder ein und diesmal ergaben die Gedanken ein stimmiges Bild. Und wahrscheinlich war der Mann von der Hausverwaltung auch einer von ihnen gewesen, um herauszufinden, wann er am besten bei ihr einbrechenkonnte. Der Weihnachtstag bot sich wohl als idealer Zeitpunkt an, weil die meisten Singles Weihnachten mit der Familie feierten und ihre Wohnungen daher leer standen.
    Unklar war ihr nur, warum sie den Computer mitgenommen hatten.
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