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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe
Autoren: I Mayer-Zach
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Teller ins Wohnzimmer und machte es sich vor dem Fernseher bequem. Auf dreißig Kanälen spielte nichts, was ihr gefiel. Sie blieb bei einem Ratespiel hängen und ärgerte sich dann über den Kandidaten, der aus Gier alles bis dahin erspielte Geld wieder verlor.
    Das Telefon läutete. Dieser ungeliebte Apparat war für sie ein Kommunikationsmedium, bei dem immer ein Beteiligterdas Nachsehen hatte – in der Regel der Angerufene. Der Anrufer saß wahrscheinlich in einem Callcenter und versuchte, irgendjemandem irgendwelche Artikel anzudrehen. Oder er saß gemütlich auf einem Sofa, mit einem Drink in der Hand, oder lag in der Badewanne, oder hatte gerade nichts zu tun, weil ihm die U-Bahn vor der Nase weggefahren war. Für ihn war der Zeitpunkt ideal, jemanden anzurufen.
    Der Angerufene hingegen hätte es vielleicht fast geschafft, den Faden durchs enge Nadelöhr zu stecken, wenn ihn das Läuten nicht erschreckt hätte, oder er stand unter der Dusche und hatte sich gerade eingeseift, oder er wollte gerade den Topf mit der übergehenden Sauce von der Herdplatte ziehen und gleichzeitig das weinende Kind beruhigen. Oder vielleicht einfach nur in Ruhe sein Putengeschnetzeltes mit Semmelknödel essen!
    Paula zog kurz in Erwägung, nicht abzuheben. Aber das Läuten hörte nicht auf und dann der Gedanke: Was, wenn es doch etwas Wichtiges wäre? Der lang ersehnte Anruf von Markus? Eine Einladung zu einer netten Feier? Und hier war sie, die Neugier, die immer größer war als das Bedürfnis, ungestört zu bleiben, die den Eingeseiften aus der Dusche springen, die Hand zum Hörer greifen ließ.
    Paula stellte den Teller weg und hob ab. Es war Markus. Sechs Tage waren seit seinem Versprechen vergangen, und Paula war schon versucht gewesen, diese nette Bekanntschaft ebenfalls in die Kategorie „Der Mann, das unbekannte Wesen, das ständig verspricht und nichts hält“ einzuordnen. Doch er hatte Wort gehalten.
    „Entschuldige, dass ich erst heute anrufe, aber in der Redaktion war so viel los, und ich musste dauernd zu Abendterminen. Lauter uninteressante Themen, sodass ich dich nicht einmal einladen konnte. Und gestern war dann so eineUmweltdiskussion, und die hat sich unendlich in die Länge gezogen. Ich war erst gegen ein Uhr zu Hause, und so spät wollte ich nicht mehr stören. Und heute Vormittag habe ich dich nicht erreicht.“
    Irgendwie kamen Paula diese Erklärungen bekannt vor. Waren alle Journalisten gleich? Jetzt erst bemerkte Paula das blinkende Lämpchen auf dem Anrufbeantworter. Sie musste ihre Telefonphobie überwinden, sonst endete sie womöglich als alte Jungfer.
    „Kein Problem. Auch bei mir war viel los“, entgegnete sie vage und dachte insgeheim: Ich hatte alle Hände voll zu tun, meine Seminartermine umzubuchen. War das die richtige Antwort? Natürlich sollte er merken, dass sie sich freute, dass er sich gemeldet hatte. Aber auch nicht zu sehr. Ob es für Männer auch so verzwickt war? Oder dachten sie wirklich weniger kompliziert als Frauen, wie es in so vielen Ratgebern stand? Sie musste unbedingt mit Kurt darüber sprechen. Er war schwul, er musste doch wissen, wie Männer dachten, fühlten und tickten.
    „Hallo, Paula. Bist du noch da?“, hörte sie Markus’ Stimme am anderen Ende der Leitung.
    „Oh, entschuldige, ich habe nur den Fernseher leiser gestellt. Was hast du gesagt?“
    „Ich wollte wissen, was du heute machst. Ich habe zwei Karten für eine Sneak Preview bekommen. Hast du Lust mitzukommen?“
    Natürlich hatte sie Lust. Und nicht nur darauf. „Was bitte ist eine Sneak Preview?“
    Es war immer interessant, was sie durch ihre Freunde kennenlernte. Einmal hatte sie einen auf einer Floßfahrt begleitet, ein anderes Mal war sie im Heißluftballon in die Lüfte gestiegen, von verschiedenen gemeinsamen Reisen nicht zu sprechen. Weniger gut war eine Fahrt an die spanische Küste gewesen, die sie mit einem fanatischen Surfer unternommen hatte. Er war in der Früh um fünf Uhr aufgestanden, um den richtigenWind zu haben, und am Abend gegen neun Uhr eingeschlafen. Die Beziehung hatte den Urlaub nicht überdauert.
    „Wir sehen uns eine Vorpremiere an und müssen anschließend einen Fragebogen über den Film ausfüllen. Das ist alles.“
    „Welchen Film?“
    „Keine Ahnung, das ist ja der Gag. Aber wir sehen ihn in englischer Originalfassung. Ich hole dich um sieben Uhr ab.“
    „Bist du jetzt noch in der Redaktion?“, fragte Paula.
    Markus bejahte.
    „Kannst du mir einige Infos über
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