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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe
Autoren: I Mayer-Zach
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vor, die am Schreibtisch saß. Diese verzog unmerklich ihr Gesicht, als er ihren Namen nannte, stand auf und reichte Paula die Hand.
    „Wir haben am Montag schon miteinander telefoniert.“
    „Adalgunde?“, fragte Paula. Clea oder Eleonora waren auch seltene Namen, doch Adalgunde schoss den Vogel ab.
    „Ada ist meine persönliche Kurzform. Aber Adalgunde stimmt schon. Meine Mutter hatte immer einen Hang zum Ausgefallenen, und da kannte sie auch bei ihren Kindern kein Erbarmen. Also gehe ich als edle Kämpferin durchs Leben, wenn es nach der Bedeutung des Namens geht.“
    „Ich finde Adalgunde gut“, beteuerte Paula.
    Ada verdrehte die Augen. „Es kostet eintausend Euro, falls Sie sich auf diesen Namen umbenennen lassen wollen … Mir wäre es recht, wenn Sie mich Ada nennen und wir uns duzen würden.“
    „Ich sehe, ihr versteht euch blendend. Sprecht euch zusammen, auch wegen des Zimmers und so. Jedenfalls gute Arbeit, ich muss dann wieder los …“, und schon war Santo verschwunden.
    „Ach, Ada“, sein Kopf erschien nochmals im Türrahmen, „das mit der Biografie bekommen wir in den nächsten Tagen schwarz auf weiß. Die Herren waren ganz begeistert. Bitte ergänze mir bis Freitag das Budget – du weißt schon: Produktionskosten, Druck etc.“ Und zu Paula gewandt: „Apropos Budget: Komm bitte nachher wegen der Formalitäten auf einen Sprung vorbei.“
    Ada mochte um die dreißig sein, aber das war äußerlich schon die einzige Ähnlichkeit, die sie mit Paula hatte. Sie war sehr leger mit Jeans und einem eng anliegenden, grob gestrickten Wollpullover bekleidet, der ihren ausladenden Busen und auch das eine oder andere Fettpölsterchen mehr betonte als verdeckte. Der Strickpulli hatte zwar keine Ärmel, dafür aber einen überdimensional großen Rollkragen. Die lila Ärmel des Unterziehpullis, den sie darunter trug, hoben sich krass vom Grün des Pullovers ab. Die dichten rotblonden Locken wurden von einem türkisfarbenen Tuch gebändigt. Das Gesicht war von unzähligen Sommersprossen übersät. Die hellblauen Augen, die durch die viereckige Brille blitzten, hatten Paula auf Anhieb gefallen.
    Paula hatte hellblonde Haare, die leicht gelockt auf ihre Schulter fielen, und braune Augen. Andere sagten ihr, dass sie sehr hübsch sei, aber sie selbst kam sich alles in allem durchschnittlich vor, auch was ihr Outfit anbelangte. Obwohl ihr ausgefallene Kleidung bei anderen gefiel, vermied sie bei sich alles extrem Modische – ob es nun Farbe, Schnitt oder Material betraf. Am liebsten trug sie Kleidung in dezenten Farben. Hauptsache: ordentlich. Darum mochte sie auch keine Leinensachen, weil die immer so verknittert aussahen. Ada und Paula würden schon rein optisch ein interessantes Team abgeben.
    „Entschuldige, dass es hier so aussieht.“ Adalgunde versuchte, die Berge an Unterlagen, die sich auf dem Schreibtisch stapelten, zu Stößen zusammenzuschieben. Doch es blieb bei dem wenig erfolgreichen Unterfangen. Schließlich gab sie ihre Ordnungsversuche auf und grinste Paula an: „Ich freue mich, dass du diese Fotografenbiografie schreiben wirst und wir zusammenarbeiten werden. Wird sicher lustig.“

    2.
    Paula schleppte zwei Plastiksäcke voll Unterlagen über Stefan Urban durch die halbe Stadt. Ada hatte verschiedene Bücher und Journale vorbereitet, mehrere Bildbände über Wien und das Umland waren auch dabei. Für die nächsten Tage war Paula ausreichend mit Lesestoff versorgt.
    Die beiden Stockwerke – korrekterweise waren es drei, wenn man das Mezzanin mitzählte – gaben ihr den Rest. Das waren die Momente, in denen sie einen Lift vermisste.
    Oben angekommen, warf sie die Plastiksäcke in eine Ecke, gab dem Drängen ihres knurrenden Magens nach und beschloss sofort etwas zu kochen. Wenngleich der Begriff Kochen ein wenig übertrieben war: Sie taute eine Portion Putengeschnetzeltes auf und warf einen gefrorenen Semmelknödel ins heiße Wasser. Liebe geht durch den Magen, behauptete ihre Mutter und versorgte sie regelmäßig mit selbstgekochtem Tiefgefrorenem. Wenn Liebe wirklich durch den Magen ging, dann war klar, warum Paula, zumindest im Moment, Single war. Vielleicht sollte sie endlich einen Kochkurs belegen, damit sie potenzielle Liebhaber nach allen Regeln der Kunst einkochen konnte. Denn wie war es möglich, dass sie mit Anfang dreißig abends allein im Wohnzimmer saß? Allerdings musste sie zugeben, dass sie diese Unabhängigkeit durchaus zu genießen wusste.
    Sie ging mit dem vollen
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