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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen
Autoren: G Haderer
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die schaurige Hinrichtungsstätte werfen zu können. Der jugendliche Eifer des Inspektors gefiel ihm.
    Warum sollte der Posten nicht eine halbe Stunde unbesetzt bleiben können? Entgegen dem Sprichwort glaubte Schäfer nämlich, dass der Teufel durchaus einmal ein Schläfchen hielt – vor allem, nachdem er sich derart verausgabt hatte. Zwei Morde innerhalb von zwei Tagen. Und obwohl noch kein Zusammenhang zwischen den Taten erkennbar war, hatte sich etwas in Schäfers Kopf zu rühren begonnen. Als wäre in einem der hintersten Winkel seines Gehirns eine Herdplatte auf kleine Flamme geschaltet worden und der Inhalt des darauf stehenden Kochtopfs begann sich ganz langsam zu erwärmen. Das erste Aroma einer Ahnung gewissermaßen – eben das, was Bergmann als das Unheimliche oder Mystische bezeichnete. Schäfer ging es damit übrigens nicht viel anders. Er zog Nutzen aus dem Werken seines Gehirns, bestaunte es manchmal, ohne es tatsächlich zu verstehen. In einer „Universum“-Folge hatte er einmal Grizzlies gesehen, die sich an das obere Ende eines Wasserfalls stellten und dort warteten, bis ihnen ein Lachs ins Maul sprang. So ähnlich stand auch Schäfer an seinen synaptischen Schaltstellen und fing Assoziationen auf. Wo sie herkamen, wo sie hinzogen, warum gerade diese und nicht andere, wie viele er unter der Oberfläche gar nicht wahrnahm – berufsbedingt war Schäfer mehr Jäger als Philosoph und hatte für solche grundsätzlichen Überlegungen schlicht keine Zeit.
    „Na dann, fahren wir“, sagte Schäfer zur offensichtlichen Freude des Inspektors.
    Kern leitete das Festnetz auf sein Mobiltelefon um, hängte einen Zettel mit seiner Handynummer an die Tür, dann gingen sie zum Parkplatz, wo der Einsatzwagen stand. Auf dem Weg zum Tatort betrachtete Schäfer die zahlreichen neuen Häuser, an denen sie vorbeifuhren – Prunkvillen mit riesigen Gärten und Pools, die allesamt einen verlassenen Eindruck machten. In seiner Jugend hatte ihn die Entwicklung seiner Heimatstadt zu einem Rückzugsgebiet für die Reichen rasend gemacht. Enteignen hätte man die ganze Zweitwohnsitz-Bande müssen, um sie dann geteert und gefedert aus dem Land zu jagen, das war seine Meinung gewesen; das Feindbild, das er sich damals gesucht hatte, um sein Unglück erklärbar zu machen.
    „Wo kommst du eigentlich her?“, fragte Schäfer den Inspektor, um sich abzulenken.
    „Meine Mutter ist aus Kufstein. Später sind wir nach Innsbruck gezogen. Da habe ich auch die Polizeischule gemacht.“
    „Und dein Vater?“
    Als Kern zögerte, schaute Schäfer zu seinem Fahrer hinüber und wusste augenblicklich, dass er einen wunden Punkt erwischt hatte.
    „Ist abgehauen, bevor ich auf der Welt war.“
    „Ist ja trotzdem was geworden aus dir“, bemühte sich Schäfer um ein paar nette Worte.
    Kern dankte es ihm mit einem erzwungenen Lächeln und bog in eine Schotterstraße ein, die leicht abfallend zu einer großen Baustelle führte. Er parkte in einer Ausweiche, stellte den Motor ab und stieg mit Schäfer aus dem Wagen. Am Absperrband, das rund um den Tatort gespannt war, standen Fotografen, Kameraleute und Reporter mit zwei uniformierten Polizisten beisammen und rauchten. Als sie Schäfer und Kern bemerkten, warfen sie ihre Zigaretten auf den Boden und kamen auf die beiden zu. Schäfer hatte nicht vor, sich lange mit ihnen aufzuhalten.
    „Ich bin Major Schäfer von der Kriminalpolizei Wien und leite die Ermittlungen. Über deren Stand werde ich Sie heute bei einer Pressekonferenz informieren. Ort und Zeit erfahren Sie am frühen Abend auf dem Revier und über die Pressestelle. Bis dahin ist es jedem Beamten untersagt, mit Ihnen über die Ermittlungen zu sprechen.“ Dabei blickte er die uniformierten Polizisten an, die sofort betreten zu Boden schauten und das Absperrband in die Höhe hoben.
    Schäfer und Kern stiegen durch Reste von Bauschutt und Matsch zum Tatort, wo zwei Männer in weißen Schutzanzügen knieten und den Boden nach Spuren absuchten. In gut hundert Meter Entfernung sah Schäfer zwei weitere Beamte der Spurensicherung, die das wild wuchernde Gras durchsuchten. Das VIP-Aufgebot – der Tote musste gute Beziehungen gehabt haben. Eine Frau in Zivil kam auf Schäfer zu und stellte sich als Chefinspektorin Baumgartner von der Kriminalpolizei Innsbruck vor. Schäfer gab ihr die Hand und fragte sie nach dem Stand der Dinge.
    „Na ja, der Arzt meint, dass er wahrscheinlich erstickt ist; könnte aber auch sein, dass er an den Folgen
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