Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen
Autoren: G Haderer
Vom Netzwerk:
… Ich war noch in Innsbruck, um mir den Steiner anzuschauen … Ein Schlag auf den Kopf und dann ans Gipfelkreuz gehängt … Daran hab ich auch schon gedacht, aber das wäre jetzt noch zu früh … Ja, wenn Sie Zeit haben, schauen Sie doch mal im Archiv nach, ob irgendwas in der Richtung schon mal passiert ist … Ich such mir ein Zimmer und dann besuch ich die Kollegen … Nein, bei meinen Eltern, das wäre nicht gut. Wer weiß, wie lange das hier dauert … Die Ziposchka? Lassen Sie sie nach Hause gehen … Nein, die haut nicht ab. Wenn sie ihn umgebracht hat, dann will sie auch das Haus. Und wenn nicht, dann bleibt sie sowieso … Die ist gewieft, Bergmann, und wenn sie was unter Druck setzt, dann eher die leere Riesenvilla. Manchmal bringt ein Geist eher ein Geständnis heraus … Na, der von ihrem Mann … Ist gut. Sagen Sie ihm, dass ich gut vorankomme. Wiedersehen, Bergmann.“
    Schäfer griff sich seine Tasche, sprang über die Bahnsteigkante und stieg über die Gleise zur Straße hinüber. Er nahm einen Umweg, um auf der Promenade entlang der Ache gehen zu können. Wo er im Herbst auf dem Weg zur Schule in gelbrot leuchtende Haufen von Ahornblättern gesprungen war. Dort lief er jetzt durch Erinnerungen. In denen er mit seinem Bruder selbstgebastelte Feuerwerkskörper ins Wasser auf die Forellen warf, bis ein wütender Anrainer aus seinem Haus stürmte und ihnen mit einem Laubrechen nachlief. Hier die Bank. Auf der er mit Maria gesessen hatte. Diese ewigen Abende. Als hätten wir das Küssen, das Berühren, die Zärtlichkeit erfunden. Und dann? Warum ist das alles zerbrochen? Warum habe ich immer alles kaputt gemacht? Schäfer fühlte die Verzweiflung wiederkommen. Die scheinbare Sinnlosigkeit, das Unverständnis und die Ohnmacht. Wenn er sich jetzt hinsetzte, würde er lange nicht mehr aufstehen. Er zwang sich weiterzugehen.
    Mit geröteten Augen betrat er schließlich das Büro des Tourismusverbands und fragte nach einem Zimmer. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er in eine Pension oder ein Hotel wollte. Weil er sich mit Entscheidungen immer schwertat, wenn er traurig war. Außerdem, überlegte er: Ist der Informationsgewinn durch eine für gewöhnlich gesprächige Zimmerwirtin wertvoller oder die Ruhe und Distanz, die ihm die Anonymität eines Hotelzimmers verschafften? Warum er sich schließlich für das Hotel entschied, hatte allerdings einen ganz anderen Grund: Wenn es ihm dort nicht gefiel, konnte er ohne weiteres in eine Pension ziehen. Aber die umgekehrte Vorstellung – einer netten Pensionsinhaberin, die ohnehin nicht viel verdiente, mitzuteilen, dass er lieber in einem Hotel wohnte als in ihren liebevoll eingerichteten Zimmern –, das verursachte ihm schon in Gedanken ein schlechtes Gewissen. Die Angestellte des Tourismusverbands wartete geduldig, bis er sich entschieden hatte, und rief dann in einem zentral gelegenen Vier-Sterne-Hotel an.
    Er bedankte sich und ging die dreihundert Meter zu seiner neuen Unterkunft. Die Freundlichkeit der Rezeptionistin, hinter der Schäfer nicht das geringste Zeichen von opportuner Falschheit entdeckte, freute ihn. Zugleich wusste er sofort, dass ein Unterkunftswechsel während seines Aufenthalts nun nicht mehr möglich war. Er füllte das Anmeldeformular aus, ließ die Rezeptionistin seinen Ausweis kopieren und fuhr mit dem Fahrstuhl in den obersten Stock. Der Flur mit dem langen roten Läufer erinnerte ihn an „Shining“, das Zimmer übertraf jedoch seine Erwartungen. Luxuriöses Bad mit frei stehendem Waschbecken und einer Badewanne mit Massagedüsen. Riesiges Bett. Mit einer schön harten Matratze. Ein großer Balkon mit Aussicht auf das Kitzbüheler Horn.
    Nachdem er seine Tasche abgestellt hatte, trat er ins Freie und ließ seinen Blick von Norden nach Süden über die einzelnen Berge wandern, deren Namen ihm sein Vater bei jeder Wanderung erneut in Erinnerung gerufen hatte, auf dass er sie nie mehr vergäße. Zum Karstein führte keine Straße. Entweder hatte der Mörder Steiner verfolgt und ihn dann unbemerkt überholt – wenn das überhaupt möglich war. Oder er hatte Bescheid gewusst, war ein paar Stunden früher losgegangen und hatte auf sein Opfer gewartet. Oder eine spontane Tat, aus dem Affekt heraus? Nein, daran mochte Schäfer nicht glauben. Aufstieg, Kreuzigung, Abstieg. Schäfer sagte sich, dass er nicht zu früh eine religiöse Symbolik hinter dem Mord konstruieren sollte. Er hörte schon seinen Freund Konopatsch: „Herr Major, heute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher