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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
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schwachen, zitternden Hände den Pfeil und fielen dann zurück. Coriths Bewußtsein versiegte. Er blickte Parsons erstaunt und mit dem leeren, besorgten Blick eines Kindes an.
    Ich kann es nicht tun, durchzuckte es Parsons.
    Mein ganzes Leben, alles, was ich je war und wofür ich stehe, hindert mich daran. Auch wenn es meinen Tod bedeutet, auch wenn mich dieser Mann nach seinem Erwachen identifizieren und anklagen und auf mich zeigen wird – und seine fanatische, paranoide Rache bekommt. Parsons ließ den Pfeil sinken und dann neben dem Bett zu Boden fallen.
    Er empfand eine totale, betäubende Angst … Er hatte verloren.
    Also kann dieser Mann weitermachen, dachte er. Und er blieb neben dem Bett stehen und schaute auf Corith hinunter. Nichts wird ihn aufhalten. Ein Irrer. Zuerst wird er mich vernichten, dann wird er sich seinen restlichen Feinden widmen. Trotzdem kann ich es nicht tun.
    Er wandte sich von dem Bett ab, ging auf unsicheren Beinen zum Zeitschiff zurück, trat hinein und verriegelte die Tür hinter sich. Aber dennoch war er hier drinnen nicht in Sicherheit. Er schaltete die Kontrollen ein und versetzte das Zeitschiff um zwei Stunden in die Zukunft. Zwei Stunden oder zweitausend Jahre, es machte keinen Unterschied. Nicht wenn Corith lebte. Nicht für diesen anderen, früheren Parsons, der bei Loris saß und darauf wartete, daß sein Patient das Bewußtsein zurückerlangte.
    Jetzt kann sich die Vergangenheit entwirren. Jetzt kann der neue Kreislauf von Ursache und Wirkung beginnen. Er hat in dem Moment am Bett angefangen, als ich den Pfeil nicht in die Brust des Mannes treiben konnte. Als ich ihn am Leben gelassen habe. Von diesem Augenblick an entsteht eine völlig neue Welt, ein neues Geschehen spult sich ab und drängt mit seiner eigenen dynamischen Kraft voran.
    Nachdem er die Kontrollen des Zeitschiffes ausgeschaltet hatte, blieb er an der Tür zögernd stehen. Soll ich es beobachten, dachte er. Zusehen, wie Corith das Bewußtsein wiedererlangt, Frau und Sohn und Tochter und Mutter um sich … Und auch ich werde dasein. Wir alle werden sehr glücklich sein – zufrieden. Und wir beugen uns vor, um nur ja jedes Wort von ihm zu vernehmen.
    Kann ich zusehen?
    Seltsam – daß er noch immer hier war. Er hatte erwartet, die Veränderung würde sofort eintreten, sobald er sich vom Bett entfernte.
    Jetzt mußte er nachsehen – sofort.
    Er riß die Tür des Zeitschiffes auf und blickte auf eine Szene hinaus, die er schon einmal erlebt hatte. Leute standen vor und neben dem Bett, Leute, die ihn nicht beachteten und ihm den Rücken zuwandten. Die komplizierte Maschinerie des Landhaus-Seelenquaders, die Pumpen, die die Vereisung manifestierten … Schon war Corith in diese Vereisungsflüssigkeit zurückgelegt worden … Er sah ihre von Kummer gezeichneten Gesichter und dann Corith selbst, wie er in dem gespenstischen Medium trieb.
    Und der Pfeil ragte wie zuvor aus seiner Brust.
    Augenblicklich schlug Parsons die Tür des Zeitschiffes zu, drückte Tasten, kippte Schalter und jagte das Schiff ziellos in die Zeit davon, fort von dieser Szene. Hatten sie ihn bemerkt? Offenbar nicht, denn in dem Raum hatte eine chaotische Aktivität geherrscht, Menschen waren gekommen und gegangen … Und er selbst … er hatte sich mit Loris neben dem Seelenquader stehen sehen, und beide waren sie im Schock des Augenblicks verloren gewesen. Keiner von ihnen war fähig, das zu verstehen oder zu erklären – oder auch nur akzeptieren zu können, was geschehen war.
    Und genauso erging es ihm jetzt ebenfalls.
     
    Erschüttert saß er an den Kontrollen. Also war ich es nicht, stellte er fest. Ich habe ihn nicht getötet. Beim zweitenmal hat es jemand anders getan.
    Aber wer?
    Er mußte zurückkehren, wenn er das herausfinden wollte. Nachdem er den Raum verlassen hatte und in sein Zeitschiff zurückgekehrt war, mußte jemand anders angekommen sein. Loris? Aber sie war die ganze Zeit bei ihm gewesen. Sie waren zusammen gewesen, als Helmar die Nachricht überbracht hatte. Helmar?
    Wenn Corith ins Leben zurückkehrte, dann war Helmar beiseite gedrängt. Zum erstenmal in seinem Leben. Sein mächtiger Vater war zurückgekehrt … Und für Corith würde es ein leichtes sein, die Führung des Wolfs-Clans wieder zu übernehmen. Helmar würde zu einem Nichts zusammenschrumpfen. Oder …
    Schritt für Schritt begann er methodisch, die Kontrollen des Zeitschiffes einzustellen.
    Wen würde er sehen, wenn er die Tür öffnete? Er bereitete sich
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