Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Corith dessen Fehlen nicht so schnell bemerken würde. Er studierte das Buch und den fertigen Pfeil sehr genau und begriff, wie der Feuerstein und die Federn angebracht werden mußten.
    Er setzte sich an die Werkbank und schaffte es, den Pfeil zu vollenden. Dazu brauchte er allerdings weit über eine Stunde. Ich wüßte gern, ob ich ihn so gut hinbekommen habe wie Corith, fragte er sich.
    Er nahm den fertigen Pfeil mit, verließ vorsichtig das Arbeitszimmer im Untergeschoß, stieg die Treppen hinauf und ging die Korridore entlang zum Zeitschiff. Wieder sah ihn niemand. Ohne Zwischenfall kehrte er in das Schiff zurück.
    Und jetzt, dachte er, gibt es nichts mehr zu erledigen als die Tat selbst. Kann ich es überhaupt tun? Ich muß, wurde ihm klar.
    Ich habe es bereits getan.
     
    Präzise stellte Parsons die genaue Zeit ein, jene Phase, in der Corith besinnungslos im Bett lag und sich von der Operation erholte. Immer wieder überprüfte er die Anzeigen seiner Skalen. Wenn er an dieser Stelle einen Fehler machte …
    Aber er wußte mit bleierner Hoffnungslosigkeit, daß er keinen Fehler machen würde – keinen gemacht hatte.
    Er wickelte den Pfeil ein und steckte ihn unter sein Hemd.
    Auf dieser Fahrt mußte er sich sowohl im Raum als auch in der Zeit bewegen. Das Zimmer, in dem Corith lag, war gut bewacht: Er konnte nicht unbemerkt und unerkannt hineingelangen. Natürlich würden ihn die Wachen hineinlassen, aber logischerweise konnten sie ihn dann später identifizieren. Er mußte direkt im Zimmer auftauchen, dicht neben dem Bett des Patienten.
    Er begann mit der gleichen Präzision die Kontrollen einzustellen, die das Schiff räumlich versetzten. Dann schaltete er Raum und Zeit parallel. Ein Punkt glühte auf dem Schirm auf …
    Die Kontrolltafel summte, Skalenzeiger bewegten sich. Die Apparaturen schalteten sich von allein aus. Die Reise war beendet, und wenn er den Anzeigen vertrauen konnte, dann war er an Ort und Stelle angekommen.
    Hastig öffnete er die Tür des Zeitschiffes.
    Ein vertrautes Zimmer mit weißen Wänden. Links von ihm befand sich ein Bett, auf dem ein Mann lag, ein dunkelhäutiger Mann mit kantigen Gesichtszügen, die Augen geschlossen.
    Er hatte es geschafft!
    Parsons ging zum Bett hinüber und beugte sich vor. Er hatte nur ein paar Sekunden Zeit. Er durfte nicht zögern. Entschlossen holte er den Pfeil hervor und riß die Umhüllung ab.
    Der Mann auf dem Bett atmete flach. Seine großen, starken Hände lagen seitlich an den Körper gepreßt, kupferfarben gegen das Weiß der Laken. Sein dichtes, schwarzes Haar ergoß sich über das Kissen.
    Noch einmal, dachte Parsons. Als wäre einmal nicht für uns beide genug. Zitternd umfaßte er den Pfeil mit beiden Händen und hob ihn. Kann ich so die Rippen durchstoßen, fragte er sich. Ja. Der weiche, verwundbare Bereich rings um das Herz … Er hatte ihn freigelegt, um die Operation durchführen zu können.
    Guter Gott, durchzuckte es ihn voller Entsetzen. Er mußte den Pfeil in diese Stelle hineintreiben, in das noch nicht einmal verheilte Gewebe, das er erst vor so kurzer Zeit vernäht hatte. Dieser Zynismus …
    Unter ihm flatterten Coriths Lider. Sein Atem veränderte sich. Und noch während Parsons dastand und den Pfeil hielt, öffnete Corith die Augen.
    Er starrte zu Parsons empor, und zuerst sahen die leeren Augen nichts. Aber dann kehrte fast unmerklich das Bewußtsein zurück. Die schlaffen Linien des müden Gesichts veränderten sich, gewannen an Kraft.
    Parsons senkte den Pfeil langsam hinunter, aber seine Hände zitterten so sehr, daß er ihn noch einmal zurückziehen und neu beginnen mußte.
    Jetzt hefteten sich die Blicke aus den dunklen Augen auf ihn. Der Mann öffnete den Mund, die Lippen zogen sich zurück, als versuche Corith zu sprechen.
    Nach fünfunddreißig Jahren, dachte Parsons, kehrt er ins Leben zurück – dafür.
    Corith hob eine Hand vom Laken, ließ sie ein paar Zentimeter hochschweben und dann zurückfallen. »Sie schon wieder …«, flüsterte er.
    »Es tut mir leid«, sagte Parsons.
    Verstehen flackerte in den dunklen Augen. Er schien sich des Pfeils bewußt zu sein. Wieder hob er die Hand, als wolle er danach greifen. Aber er nahm den Blick nicht von Parsons. Schwach murmelte er: »Sie waren gegen mich … von Anfang an.« Kaum merklich hob und senkte sich die Brust unter dem Laken. »Sie haben mich bespitzelt … bei meiner Arbeit … mich angelogen … so getan, als wären Sie auf meiner Seite.« Jetzt berührten die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher