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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
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feststellen mußten, daß der Mann, den wir als Inbegriff der eroberungswütigen Weißen ausgewählt hatten, in Wirklichkeit ein Mann aus unserer Zeit war, in unserer Kultur geboren, ihren Werten verhaftet. Stenog ist in die Vergangenheit gereist, weil er unsere Kultur schützen wollte. Das heißt, jenen Aspekt unserer Kultur, den zu bewahren er sich zur Aufgabe gemacht hat. Wie du weißt, identifiziert sich unser Stamm nicht mit deren System von Geburt oder Tod.« Sie setzte hinzu: »Ich muß dir noch eine Menge darüber erzählen, Jim.«
    Später saßen die vier beisammen, tranken Kaffee und sahen einander an.
    »Was bedeutet der Äskulapstab«, fragte Parsons, obwohl sich mittlerweile eine vage Ahnung in ihm ausbreitete.
    »Wir sind in deine Fußspuren getreten«‚ erklärte ihm seine Tochter.
    »Das stimmt«, bekräftigte Nathan. »Es ist nach wie vor illegal, aber nicht mehr lange – wir wissen, daß man es in weiteren zehn Jahren akzeptieren wird. Wir haben uns die Zukunft angesehen.« Sein junges Gesicht glänzte vor Stolz und Entschlossenheit. Parsons sah etwas von dem Fanatismus der Familie darin, diesem wilden Verlangen, sich um jeden Preis zu behaupten. Aber dieser Junge hatte die Realität im Griff. Er und seine Schwester waren nicht so weit von der tatsächlichen Welt entfernt, die fast paranoiden Träume waren vergangen.
    Wenigstens hoffte er, daß sie vergangen waren. Er verlagerte den Blick und betrachtete Loris. Die ältere Loris.
    Kann sie mit ihnen fertig werden, fragte er sich. Das Bild von dem Jungen und dem Mädchen neben Coriths Bett war ihm noch lebhaft im Sinn. Die schnelle Tat, innerhalb von Sekunden ausgeführt … Er war nicht fähig gewesen, es zu tun, und deshalb hatten sie es an seiner Stelle getan. Weil sie glaubten, daß es getan werden mußte. Möglicherweise hatten sie recht. Aber …
    »Ich würde gern etwas über eure illegale Gruppe erfahren«, sagte er, wobei er auf den Äskulapstab wies.
    Voller Begeisterung sprudelten der Junge und das Mädchen ihre Berichte heraus, und in ihrem Eifer unterbrachen sie sich gegenseitig. Loris betrachtete sie stumm und mit einem Gesichtsausdruck, den Parsons nicht deuten konnte.
    Sie hatten, so sagten sie ihm, etwa einhundertvierzig Gesinnungsgenossen (wie sie es nannten). Mehrere waren von der Regierung erwischt und zu den marsianischen Strafkolonien deportiert worden. Die Gruppe verteilte Propagandaschriften, in denen sie das Ende der Euthanisten und eine Wiedereinführung der natürlichen Geburt forderten – zumindest jedoch verlangten sie, daß es den Frauen überlassen bleiben solle, ob sie empfangen und gebären oder ihre Zygote dem Seelenquader übergeben wollten. Das Element der Wahl. Und als Kernpunkt für die jungen Männer das Ende der zwangsweisen Sterilisation.
    Loris unterbrach den Bericht ihrer Kinder und sagte: »Du mußt wissen, daß ich noch immer die Mutter Oberin bin. Ich habe eine kleine Anzahl von Männern vor der Erfassung durch die Sterilisationsbehörden bewahren können … nicht viele, aber genug, um uns Hoffnung zu geben.«
    Vielleicht müssen sie in einer Welt wie dieser Fanatiker sein, dachte Parsons. Sie kämpfen gegen Zwangssterilisation, Verbannung in Strafkolonien – und das ohne Verhandlung – und bösartige Shupos. Und unter all dem schwelt die Todesethik. Ein System, das um der Zukunft willen der Auslöschung des Individuums gewidmet ist.
    Ganz gleich, welche Vorzüge es auch haben mochte, welche guten Aspekte …
    »Ich nehme an, es ist nicht möglich, daß du hierbleibst«, sagte Grace. »Bei Mutter und uns.«
    Unbeholfen sagte Parsons: »Ich weiß nicht, ob ihr das wißt, aber in meiner Zeit habe ich eine Ehefrau.« Er spürte, daß er errötete, aber keines seiner Kinder schien verlegen oder überrascht zu sein.
    »Wissen wir«, sagte Nathan. »Wir sind öfters zurückgegangen, um einen Blick auf dich werfen zu können. Mutter hat uns schon mit in die Vergangenheit genommen, als wir noch jünger waren … Wir haben sie dazu überredet. Deine Frau scheint sehr nett zu sein.«
    »Seien wir realistisch«, sagte Loris in nüchternem Tonfall. »Jim ist in dieser Zeit zwanzig Jahre jünger als ich.« Aber irgend etwas in ihren Augen, eine feste Überzeugung, sorgte dafür, daß sich Parsons fragte, was sie wohl dachte.
    Weiß sie etwas Wichtiges über mich, fragte er sich. Etwas, das ich unmöglich wissen kann? Sie können ihre Zeitreise-Maschinen zu jedem gewünschten Zweck verwenden.
    »Ich weiß,
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