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Schabernackel

Schabernackel

Titel: Schabernackel
Autoren: Werner Schrader
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jetzt in sein Zimmer schleichen und das Löschblatt in seine Schultasche schmuggeln? fragte er sich. Oder warte ich bis morgen damit? Ich glaube, es ist sicherer, wenn ich es erst morgen tue; es könnte ihm einfallen, die Tasche zu Hause zu lassen, und dann hat das Löschblatt keine Wirkung.
    Weil es schon dämmerte, flog er mit seiner Wolke nun auf das Dach der Schule und übernachtete dort. So sparte er sich am nächsten Morgen den Anflug und war schon zur Stelle, als die ersten Kinder sich der Schule näherten. Schnell machte er sich unsichtbar, kletterte am Blitzableiter auf den Boden hinunter und wartete auf Rüdiger, damit er mit ihm in die Klasse gehen konnte.
    Er sah ihn schon von weitem. Ganz allein ging er, keiner wollte etwas mit ihm zu tun haben. Aber ihn störte das nicht. Hochmütig und stolz ging er an den Jungen und Mädchen seiner Klasse vorbei, ohne sie zu begrüßen. Er freute sich, denn er hatte einen erfolgreichen Tag vor sich. Heute konnte er allen mal wieder zeigen, wie unwahrscheinlich klug er war. Sie sollten staunen über seinen geistreichen Vortrag!
    Schabernackel folgte ihm bis zu seinem Platz, sah, wie er die Tasche öffnete, seine Federmappe und ein Schreibheft herausholte und auf den Tisch legte.
    Der macht es mir ja leicht, dachte Schabernackel. Wenn er sich jetzt mal umdreht, schieb ich ihm das Gedächtnislöschblatt ins Heft. Dann kann ich mich schnell da hinten auf den Schrank setzen und abwarten, was passiert.
    Rüdiger machte es Schabernackel noch leichter. Er stand nämlich auf und ging noch einmal hinaus auf die Toilette. Als er wieder hereinkam, lag das Löschblatt längst in seinem Heft, und Schabernackel hockte auf dem Klassenschrank. Pünktlich um acht Uhr klingelte es, und der Unterricht begann.
    „Also, Kinder“, sagte Herr Howald, „fangen wir mit euren Vorträgen an. Je eher daran, je eher davon! Joachim, du solltest uns etwas über das Pferd erzählen. Bitte, komm nach vorne, und beginne!“
    Der Junge stand auf, nahm den Zettel, auf den er sich ein paar Notizen gemacht hatte, und ging vor das Pult. Er hatte einen roten Kopf und war sehr aufgeregt.
    „Das Pferd“, begann er unsicher, „das Pferd ist ein großes Tier und gehört zu den Zehengängern. Es geht nämlich auf den Zehenspitzen, ob ihr es glauben wollt oder nicht. Komisch, nicht war? Wir können ja auch auf den Zehenspitzen gehen, wenn wir wollen, und manchmal tun wir es ja auch, nur so zum Spaß. Aber das Pferd tut es nicht zum Spaß, es muß so gehen. Also, wenn ihr mich fragt, ich finde das ziemlich gemein!“
    Die Mitschüler lachten, Joachim merkte, daß sein Vortrag ankam, und sprach nun ganz ohne Herzklopfen weiter. Von der Größe des Pferdes erzählte er, von seiner Kraft und Schnelligkeit, seiner Schönheit und seiner Treue. Und natürlich wußte er auch einiges über seine Lebensweise zu sagen. Als er fertig war, klatschten die Kinder, der Vortrag hatte ihnen gut gefallen. Auch Herr Howald war zufrieden. Er lobte Joachim und schrieb eine Zwei in sein Zensurenbuch. Als nächstes sprach ein Mädchen über das Schwein. Auch sie machte ihre Sache gut und erntete viel Beifall, als sie zum Schluß sagte: „Das Schwein ist zwar kein sauberes Tier, aber wenn es als Leberwurst auf unserm Brot liegt oder als Kotelett in der Pfanne brutzelt, denkt keiner mehr an den Mist, in dem es sich gewälzt hat.“
    Es folgte ein Vortrag über das Schaf und einer über die Ziege, und dann kam Rüdiger aus seiner Bank und ging nach vorne.
    Er hatte bisher mit einem spöttischen Lächeln in der Bank gesessen und zugehört. Wartet nur, mochte er gedacht haben, wenn ich an der Reihe bin, fallt ihr vor Staunen von den Sitzen!
    Nun wandte er sich den Kindern zu, lehnte sich lässig ans Pult, schnippte einmal mit den Fingern, um einen unaufmerksamen Schüler zum Zuhören zu veranlassen, und sagte: „Die Kuh!“
    Alle in der Klasse waren still. Sie wußten, daß jetzt ein Vortrag kam, wie ihn selbst Herr Howald nicht besser halten konnte.
    „Die Kuh“, sagte Rüdiger noch einmal, und dann sagte er gar nichts mehr, denn alles, was er über die Kuh wußte, war wie weggeblasen!
    Schabernackel kicherte.
    „Nun mal weiter“, flüsterte er. „Daß du uns was über die Kuh erzählen willst, haben wir schon gehört!“
    Rüdiger war verwirrt und konnte nicht begreifen, wieso alles, was er gestern abend und auch heute morgen noch im Schlaf hätte hersagen können, aus seinem Kopf verschwunden war.
    „Also, die Kuh“, nahm er
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