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Schabernackel

Schabernackel

Titel: Schabernackel
Autoren: Werner Schrader
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schmeckt ja wie flüssiges Eisen und zaubert einem alle Regenbogenfarben vor die Augen! Ich hab doch hoffentlich nicht zuviel genommen?“ Ihm wurde so schwindlig, daß er sich hinlegen mußte. Lang ausgestreckt im Gras erlebte er nun, wie der Stärkungssaft in ihm wirkte.
    Seine Muskeln schwollen an, seine Beine zuckten, und seine Brust weitete sich. Nach zehn Minuten war das Farbenspiel vor seinen Augen verschwunden, so daß er wieder Bäume, Gräser und Kühe unterscheiden konnte.
    Mir scheint, ich habe noch mal Glück gehabt, dachte er. Auf denn zum fröhlichen Spiel!
    Schnell warf er den Lumpensack in seine Reisewolke und wollte schon selbst einsteigen, da fiel ihm ein, daß er seine Riesenkräfte eigentlich mal ausprobieren sollte, bevor er sich mit dem Umweltverschmutzer einließ. Also ging er zu einer der Kühe, die ihm neugierig zusahen, und versuchte sie hochzuheben. Das gelang ihm ohne jede Anstrengung. Er konnte sogar in jeden Arm eine nehmen und sie wie junge Kätzchen hin und her wiegen.
    „O lala!“ staunte er. „Für so stark hab ich mich gar nicht gehalten! Na, dann kann mir ja nicht viel passieren.“
    Und ohne sich weiter aufzuhalten, flog er zu dem Haus mit dem Storchennest zurück.
    Dort räumte der Mann gerade den Vorgarten auf. Seine Schubkarre war schon halb mit Feldsteinen, rostigem Eisen, zerbrochenem Geschirr und Mauerbrocken gefüllt.
    Schabernackel landete hinter der Hecke, die das Grundstück nach hinten begrenzte, und drehte seinen Ring zweimal herum. Unsichtbar marschierte er sodann quer durch den Garten und über den Hof. Als er vor dem Haus angekommen war, wuchtete der Mann soeben einen schweren Mauerbrocken auf die Karre. Dann wandte er sich ab, um einen zweiten ebenso großen aufzuheben und danebenzulegen.
    Der Spaß beginnt, dachte Schabernackel, packte den ersten Brocken mit Daumen und Zeigefinger und legte ihn neben die Karre.
    Der Mann merkte nichts davon. Erst als er den zweiten Brocken herangewälzt und mit großer Anstrengung auf die Karre gehoben hatte, stellte er fest, daß der erste wieder unten auf dem Boden lag, also wahrscheinlich heruntergefallen sein mußte.
    „Verflixter Dreck!“ schimpfte er und bückte sich, um ihn aufzuheben. Da nahm Schabernackel schnell den zweiten in die Hand und warf ihn ein Stück hinter sich. Der Mann mußte sich so sehr mit dem Brocken abquälen, daß er das wieder erst bemerkte, als er seine Last auf der Karre ablud.
    „Was ist denn nun passiert?“ schrie er. „Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu!“
    Schabernackel kicherte.

    Der Mann wischte sich den Schweiß von Stirn und Nase, blickte mißtrauisch zu seinem Freund Otto hinüber, der gerade den neuen Fensterrahmen einmauerte, und schlurfte seufzend los, um den vermaledeiten Brocken wieder heranzuschleppen.
    Kaum war er indessen fünf Schritte von der Karre entfernt, da stieß Schabernackel sie um.
    „Da soll doch gleich der Höllenhund dreinfahren!“ schrie der Mann, als er das Gepolter hörte, und stürzte zurück, um zu verhindern, daß alles herausfiel. Wutschnaubend wollte er die Karre wieder aufrichten. Aber weil Schabernackel sie festhielt, gelang ihm das nicht.
    „Was ist denn nun los?“ schrie der Mann. „Ich kann doch wohl noch diese lächerliche Karre aufstellen!“ Er stemmte sich mit aller Gewalt dagegen, ruckte und zerrte. Plötzlich gab Schabernackel sie frei! Da riß der Mann die Karre um, flog über sie hinweg und stieß sich den Kopf empfindlich an einem Stein. Das machte ihn rasend. Wutschnaubend trat er mit dem Fuß gegen die Karre und schüttelte sie wie einen bösen Feind.
    Erst nach einigen Minuten machte er sich aufs neue ans Aufladen. Aber so schnell er auch arbeitete, die Karre füllte sich nicht, denn’ Schabernackel warf, als kaum der Boden bedeckt war, alles wieder auf der anderen Seite hinaus.
    Nach Luft schnappend hielt der Mann schließlich inne. „Bin ich denn betrunken?“ rief er. „Dieses Stück Eisen hebe ich jetzt zum drittenmal auf! Es ist doch nicht lebendig, daß es von selbst wieder heruntersteigen kann!“
    Da unterbrach Schabernackel seinen Schabernack zur Abwechslung und half aufladen. Im Nu war die Karre voll. „Na, also!“ murmelte der Mann zufrieden, stellte sich zwischen die Holme und wollte losschieben.
    Aber Schabernackel stand davor und bremste. Die Karre bewegte sich keinen Zentimeter vorwärts. Der Mann stemmte sich dagegen, drängte und schob, daß ihm die Adern auf der Stirn anschwollen: es half nichts.
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