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Schabernackel

Schabernackel

Titel: Schabernackel
Autoren: Werner Schrader
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Schließlich ging er nach vorne, um nachzusehen, ob nicht vielleicht etwas vor dem Rad läge. Um ihn zu verwirren, rollte Schabernackel schnell einen Stein in den Weg.
    „Also darum!“ schimpfte der Mann, als er den sah. „Kein Wunder, wenn das Biest nicht weiterwill!“ Und er stieß den Stein zur Seite. Nun konnte er die Karre schieben. Aber warum zum Teufel war das so mühsam? Von Schritt zu Schritt fiel es ihm schwerer. Und schon nach zehn Metern mußte er sich hinsetzen, um sich auszuruhen. Er konnte Schabernackel ja nicht sehen, der sie immer ein bißchen stärker zurückhielt!
    „Heute komme ich überhaupt nicht von der Stelle“, seufzte er. „Ob ich krank bin?“ Besorgt fühlte er seinen Puls. „Hundertvierzig Schläge in der Minute!“ rief er erschrocken. „Das ist ja lebensgefährlich!“
    „Wie bitte?“ fragte sein Gehilfe vom Haus herüber. „Hast du mich gemeint?“
    „Nein, nein!“ rief der Mann zurück. „Ich stelle nur gerade fest, daß ich krank bin. Mein Puls geht wie rasend, obwohl ich doch nur diese dumme Karre schiebe.“
    „Klarer Fall von Überarbeitung“, sagte der Gehilfe. „Du mutest dir einfach zuviel zu und solltest dir mit dem Wegbringen des Gerümpels nicht die Gesundheit kaputtmachen. Ruf bei der Müllabfuhr an, dann holt man dir für ein paar Mark den ganzen Unrat ab, und du kannst deine Kräfte für Sinnvolleres einsetzen. Hier im Haus gibt es noch Arbeit genug.“
    „Ich glaube, du hast recht, Otto“, sagte der Mann müde. „Komm, wir trinken erst mal einen Schluck Bier, und dann suche ich mir die Nummer von der Müllabfuhr heraus. Ich hab beinah das Gefühl, als hätte mir ein böser Geist die Arbeit erschwert, damit ich den Schutt nicht in die Felder werfe.“
    „So was soll es geben“, stimmte Otto zu. „Aber in deinem Fall war es kein böser, sondern ein guter Geist, meinst du nicht auch?“
    „Sogar ein sehr guter!“ sagte Schabernackel leise und kicherte.
     
     
     

     
    „Ich bin der Schabernackel,
    hihi, haha, huhu!“
    So sang Schabernackel und flog hinauf zu den Wolken, um unter dem klaren Herbsthimmel noch einmal ein erquickendes Sonnenbad zu nehmen.
    Er streckte sich lang aus, blickte von Zeit zu Zeit auf die immer kleiner werdenden Häuser und Bäume hinab und bewegte eigenartige Gedanken in seinem Kopf.
    Da unten leben sie nun, die Menschen, dachte er. So klein wie Ameisen kommen sie mir vor, und so klein sind sie wohl auch. Alle haben irgendeinen Vogel, sind auf irgendeine Weise verrückt. Das ist weiter nicht schlimm, im Gegenteil, das macht sie eigentlich um so liebenswerter; denn wenn sie alle vernünftig, ernst und vollkommen wären, würde ihr Leben wohl sehr langweilig verlaufen. Dennoch muß ich ihnen hin und wieder einen Streich spielen, wenn sie allzusehr aus der Rolle fallen.
    Mit diesen Gedanken schlummerte er ein.
    Die Sonne hatte ihn müde gemacht. Er schlief und schlief und wachte auch nicht auf, als sein rechtes Bein langsam vom Lumpensack rutschte und die Wolke im Sturzflug nach unten sauste. Sie fegte haarscharf an einem Hochhaus vorbei, streifte einen Fahnenmast, bekam dadurch eine Drehbewegung wie ein Karussell, schleifte einige Meter über einen Feldweg, stieg plötzlich wieder steil nach oben, da Schabernackel sich im Schlaf gedreht und den Fuß wieder angehoben hatte, und kam endlich auf dem Dach einer Schule zum Stehen.
    Weil die Landung recht unsanft war, schreckte Schabernackel auf und fuhr in die Höhe.
    „Na, so was!“ murmelte er. „Das hätte aber ins Auge gehen können! Man gut, daß ich nicht gegen einen Schornstein geknallt bin! Hoffentlich habe ich im Schlaf nicht zu tolle Kapriolen gedreht, sonst machen sich die Leute, die das gesehen haben, noch wer weiß was für Gedanken!“
    Schon war er im Begriff, den linken Fuß für das Vorwärtsfliegen und den rechten für das Aufsteigen hochzuheben, da hörte er, wie jemand auf der Wiese unten laut redete, und zwar, wie er sofort merkte, über seine Wolke.
    Das machte ihn neugierig. Er ließ beide Füße, wo sie waren, und lauschte.
    „Keinesfalls handelt es sich um eine Schäfchenwolke, Joachim“, sagte ein Junge. „Du solltest wissen, daß Schäfchenwolken Eiswolken sind und nur in großer Höhe vorkommen.“
    „Natürlich, Rüdiger weiß es mal wieder besser“, sagte ein anderer Junge. „Der weiß ja alles besser, der ist ja superschlau!“
    „Aber bitte, Bernhard“, rief nun der Lehrer dazwischen, „so geht es nicht. Wenn er recht hat, hat er
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