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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart
Autoren: Lili Wilkinson
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erstarrte und sah sie verständnislos an. Dann schüttelte er den Kopf und sagte mit einer rauen Stimme: »Geschäfte, mein Engel. Ich muss für ein paar Tage nach Paris. Nur keine Sorge. Du wirst schon allein zurechtkommen.« Er wühlte in seiner Kommode und zog eine Handvoll Krawatten heraus.
    »Aber warum soll Adams nicht deine Sachen packen?« Er stopfte die Krawatten in den Koffer.
    »Adams … ich habe Adams einem Freund ausgeliehen. Nur keine Sorge.«
    »Du hast ihn
ausgeliehen?«
, fragte Hannah. »Du gehst ohne Diener nach Paris?«
    »Nein, mein Engel. Er wird mich in Newmarket treffen. Nur keine Sorge.«
    »Das sagtest du bereits.« Hannah kamen beinahe die Tränen.
    Arthur Cheshire klappte den Koffer zu und drückte sich einen Hut auf den Kopf.
    »Papa, du hast dich ja gar nicht umgezogen!«
    »Siehst du nicht, dass ich in Eile bin?«, sagte er. »Ich habe wichtige Geschäfte zu erledigen. In ein paar Tagen bin ich wieder da.« Er schleifte den Koffer aus dem Zimmer.
    »Vielen Dank für die Ohrringe!«, rief Hannah ihm mit bebender Stimme nach. Der Koffer schlug polternd über die Stufen, als Arthur Cheshire ihn die Treppe hinunterzerrte.

    Das Brot war hart und sandig, als wäre das Mehl mit Asche vermischt worden. Hannah wollte zum Wassereimer gehen, aber Long Meg hielt sie mit ausgestreckter Hand zurück.
    »An deiner Stelle würde ich das Wasser nicht trinken«, sagte sie. »Da sind alle möglichen Würmer drin.«
    Sie hielt Hannah die braune Flasche hin. Hannah nahm einen Schluck. Die Flüssigkeit brannte wie Feuer in ihrer Kehle und sie musste husten und würgen.
    Long Meg lachte dröhnend. »Du wirst dich früh genug daran gewöhnen, gnädiges Fräulein«, gluckste sie.
    Hannah verzog das Gesicht. »Ich glaube, ich probiere es doch mit dem Wasser, wenn Sie nichts dagegen haben.« Long Meg zuckte die Achseln. »Wie du willst.«
    Von Long Meg erfuhr Hannah, dass es in ihrer Zelle zwei Sorten Gefangene gab. Solche, die ihrer Verhandlung entgegensahen, und solche, die auf die Vollstreckung ihres Urteils warteten.
    Die nächste Verhandlung oder Sitzung, wie sie genannt wurde, sollte am kommenden Donnerstag stattfinden. An diesem Tag musste Hannah vor den Richter und die Geschworenen treten, sich verteidigen und ihr Urteil entgegennehmen. Die folgenden Tage nutzte sie dazu, die Rede zu üben, die sie vor Gericht halten wollte, damit keinerlei Zweifel an ihrer Situation entstünden.
    Jene Gefangenen, die ihre Verhandlung bereits hinter sich hatten, verhielten sich teilnahmslos. Sie waren still und bedrückt. Hannah fand, sie sahen hohl aus, als würden sich ihre Körper nur aus alter Gewohnheit bewegen.
    »Was geschieht mit ihnen?«, fragte sie Long Meg.
    »Meistens Deportation, aber wohl auch ein paar Hinrichtungen.«
    Hannah schluckte. »Und die, die deportiert werden … kommen die alle nach New South Wales?«
    Long Meg nickte. »Ich glaube schon. Man nennt es ›das Land hinter den Meeren‹.«
    Für Hannah klang diese Bezeichnung ziemlich romantisch und das sagte sie auch zu Long Meg.
    Die lachte laut auf. »Romantisch? Soweit ich weiß, ist es die Hölle. Ich habe gehört, es soll fast zwei Jahre dauern, bis man dort ist. Die Schiffe werden von Banden befehligt, die mit Peitschen und Ketten nicht zimperlich sind.« Hannah stellte sich Thomas Behr in Offiziersuniform und Peitsche schwingend vor und musste lächeln.

    Hannah hatte kaum ein Wort gesprochen, seit ihr Vater das Haus verlassen hatte. Die Diener tuschelten miteinander und verstummten, sobald sie ins Zimmer kam. Hannah stand morgens wie gewöhnlich auf, aß Toast zum Frühstück und trank ihren Tee, arbeitete an ihrer Stickerei, las und übte Klavier. Jeden Nachmittag wies sie die Diener an, ein vollständiges Abendessen zuzubereiten, für den Fall, dass ihr Vater wieder nach Hause käme. Und jeden Abend saß sie in ihrem besten Kleid allein im Speisezimmer, vor ihr kalte, in Butter geschwenkte Krabben und Hammelragout, Rindfleischbrühe mit einem erstarrten Fettfilm auf der Oberfläche und zusammengefallener Mandelpudding. Hannah stocherte lustlos in der Fasanenpastete und schob die Rote Beete mit ihrer Silbergabel auf dem weißen Porzellanteller hin und her, während in den Servierschüsseln der Spargel und die grünenBöhnchen kalt und schlaff wurden. Um zehn Uhr kam Jenny und deckte den Tisch ab und Hannah ging auf ihr Zimmer und weinte sich in den Schlaf.
    Zwei Tage nachdem Arthur Cheshire abgereist war, kam Thomas Behr zu Besuch.
    Er
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