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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition)
Autoren: Jutta Mehler
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überlegte einen Augenblick lang, ob sie kommentarlos eine Flasche
holen oder dem Herrn zuvor erklären sollte, dass sie nur stilles Wasser von
Urquell im Haus hätte.
    Da streckte er die Hand aus. »Hauptkommissar Johann Sprudel, Kripo
Straubing, ich würde mich gern ein wenig mit Ihnen unterhalten, Frau Rot.«
    Fanni bat ihn ins Esszimmer. Das musste ja kommen, dachte sie,
bringen wir es schnell und ein für alle Mal hinter uns.
    »Sie haben heute um elf Uhr zehn Mirza Klein in ihrem Garten tot
aufgefunden«, sagte Sprudel.
    »Mirza lag zum größten Teil im Garten von Familie Praml«, bockte
Fanni.
    »Ja, natürlich«, sagte Sprudel. »Muss ein Schock für Sie gewesen
sein, Frau Klein mit blutüberströmtem Kopf da liegen zu sehen.«
    »Zuerst habe ich Mirzas Sandalen gesehen«, sagte Fanni.
    Sprudel wirkte ein wenig verwirrt. »Wo?«
    »An Mirzas Füßen.«
    »Verstehe«, nickte Sprudel. »Die Sandalen sind Ihnen aufgefallen,
als Sie vorbeigegangen sind, und dann haben Sie genauer hingesehen und die
Leiche entdeckt.«
    Fanni nickte.
    »Und dann?«, fragte Sprudel.
    »Habe ich die Polizei angerufen«, sagte Fanni.
    »Gut«, sagte Sprudel, als hätte sich Fanni damit den Nobelpreis
verdient.
    Fanni wartete und sah sich Sprudel an. Er hat auffällig große Ohren,
fand sie, saubere Ohren, rosig, wie frisch geschrubbt.
    Von Sprudels Ohren aus zogen sich tiefe Falten an seinem Hals
entlang und verschwanden im Hemdkragen.
    Abgestandener Sprudel, dachte Fanni, gut so alt wie ich, nein,
älter, um die sechzig mindestens.
    »Haben Sie«, fuhr Sprudel indessen fort, »während der Zeit, die Sie
draußen verbrachten, irgendjemanden gesehen?«
    »Nein«, sagte Fanni.
    »Als ich ankam, so gegen Mittag, war es ziemlich voll in Ihrem
Garten«, lächelte Sprudel, »auch jetzt noch lehnen ganze Familien an Zäunen
oder sitzen auf Randmäuerchen herum. Gibt es in Erlenweiler so viele
Arbeitslose?«
    Fanni musste grinsen. Es sah fast so aus. Meisers lagerten seit
einer halben Stunde mit Frau Stuck auf Fannis rechter Grundstücksgrenze, und
Herr Böckl unterhielt sich mit Herrn und Frau Praml über Fannis Zaun hinweg.
    Sprudel stand plötzlich auf und setzte sich neben sie. Was hat er
denn?, fragte sich Fanni erschrocken und erkannte im selben Moment, dass
Sprudel bloß aus der Sonne gerückt war, die ihn auf dem Platz vor dem Fenster
wohl geblendet hatte. Gardinen gab es bei Fanni nicht, da hatte sie sich
durchgesetzt gegen ihren Mann.
    »Die Gespräche unserer Zaungäste«, sagte Sprudel nun im Schatten
sitzend, »waren recht aufschlussreich. Ich habe ein bisschen gelauscht, muss
ich zugeben.«
    Kein Problem mit diesen Ohren, dachte Fanni.
    »Für die Leute von Erlenweiler liegt der Fall, so scheint es, klar«,
fuhr Sprudel fort. »Sie sind sich insgesamt darüber einig, dass der Bauer
Klein, dem der Hof dort oberhalb der Wiese gehört, seine eigene
Schwiegertochter erschlagen hat.«
    Fanni nickte.
    »Sind Sie derselben Meinung?«, fragte Sprudel.
    »Ich hab das auch als Erstes gedacht, als ich die Mirza gesehen hab
mit dem Blut in den Haaren und überall drum herum«, sagte Fanni.
    »Und warum haben Sie jetzt Ihre Meinung geändert? Das haben Sie
doch, oder?«, fragte Sprudel.
    Fanni zögerte. Sie hatte sich doch vorgenommen, kurz und bündig ihre
Aussage zu machen, und damit basta. Was brachte sie plötzlich dazu, diesem
Sprudel erzählen zu wollen, was ihr heute Nachmittag, während sie die
Golatschen geformt hatte, durch den Kopf ging?
    Sprudel schwieg. Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und den
Kopf auf die Hände, dabei schob er seine Wangenfalten bis zu den Schläfen.
    Jetzt sieht er aus wie Pluto, stellte Fanni fest, und das gab den
Ausschlag. Fanni machte den Mund auf.
    »Ich glaube nicht, dass es der Alte war, weil mir die Geschichte mit
dem Hund eingefallen ist.«
    »Aha«, sagte Sprudel und zog die Falten beiderseits vom Kinn nach
unten.
    Meine Güte, dachte Fanni, was mache ich denn da. Ich sollte lieber
Lenis Bett im Balkonzimmer oben beziehen und den Mund halten. DEN MUND HALTEN , das konnte ich doch bisher ganz gut.
    Sprudel wartete.
    Ein Rückzieher kommt wohl jetzt nicht mehr in Frage, überlegte
Fanni. Wankelmut macht verdächtig. Am Ende bezichtigt Pluto noch mich.
    Sie legte beherzt los: »Die Geschichte fängt mit Bene an. Das ist
der Sohn vom alten Klein. Der Bene ist ein wenig zurückgeblieben, geistig,
meine ich. Die Kinder aus der Siedlung haben nie mit ihm gespielt. Sie haben
ihn aber oft
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