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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition)
Autoren: Jutta Mehler
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ihrem
Vis-à-vis-Nachbar Meiser gesagt, »dass er so eine Tüchtige ins Haus bekommen
hat, auch wenn Bene die Mirza im Tschechischen drüben von der Straße aufgelesen
hat – na und.«
    Seit Benedikts Mutter vor fünf Jahren gestorben war,
hatten Bene und der Alte in ihren Zimmern gehaust, ohne ein einziges Mal sauber
zu machen, das wusste Fanni genau.
    Mirza war noch keine Woche auf dem Hof, da hatte sie schon Küche und
Wohnstube komplett in Schuss gebracht. Einen Monat später waren die Schlafräume
frisch geweißelt und das Badezimmer hübsch aufgeputzt.
    Mirza hatte Bene fest im Griff. Der spurte, wenn sie sagte: »Bene,
müssen wir machen das sofort.« Mirza erklärte Bene, wie sie ihre Pläne
ausgeführt haben wollte, und Bene befolgte alles exakt.
    Dabei galt Bene in Erlenweiler als Trottel.
    Zugegeben, schon in den ersten Monaten auf der Grundschule hatte
sich gezeigt, dass Bene mit abstrakten Begriffen nichts anzufangen wusste. Eine
Zahl, frei in der Luft schwebend, weder als Paar Schuhe noch als Dutzend
Drahtstifte manifestiert, sagte ihm gar nichts. Damals gab es einigen Ärger,
weil der alte Klein seinen eigenen Kopf hatte und die Lehrerin ein
überspanntes, unfähiges Trumm nannte, ein ganzes Eck dümmer als die Kinder, die
sie unterrichten sollte.
    Dem Tierarzt, der regelmäßig zum Klein-Hof kam, die Kühe besamte und
ihnen Antibiotika spritzte, schenkte der Alte mehr Vertrauen. Der Doktor
brauchte allerdings vier Wochen, bis er den alten Klein dazu überredet hatte,
Bene auf die Sonderschule zu schicken.
    »Der Bene«, hatte der Tierarzt damals listig zum alten Klein gesagt,
»der ist nicht dumm, der Bene, der ist schlauer als wir alle zusammen, und
dreimal so schlau wie seine Lehrerin ist er, der Bene.«
    Das gefiel dem Alten.
    »Aber bestimmte Hirnzentren vom Bene«, machte der Tierarzt weiter,
»solche, die für das Sprachgefühl, für abstraktes Denken, für
Gedächtnisleistung und so was zuständig sind, die sind halt ein bisschen
überwuchert von seiner Begabung auf dem Gebiet der Mechanik. Der Bene lebt in
der Welt der Schrauben und Rädchen, der Vergaser und Verteilerfinger. In seiner
Maschinenwelt, da ist der Bene ein richtiges Ass. Und deshalb muss er besonders gefördert werden, der Bene, in einer besonderen Sonderschule .«
    Das hatte dem alten Klein eingeleuchtet.
    Etliche Erlenweiler Mäuler behaupteten, Benes Manie für
all diesen technischen Kram hätte seine Mutter so früh ins Grab gebracht. Fanni
war da anderer Meinung:
    Bene war beschränkt, keine Frage, aber er war immer ein lieber Bub
gewesen, und er war seiner Mutter nie eine Plage, denn die störte es nicht im
Mindesten, wenn Bene von früh bis spät am Traktor oder am Mähwerk
herumbastelte.
    »Der widerliche Alte hat Benes Mutter auf dem Gewissen«, hielt Fanni
immer dagegen, sobald die Sprache auf den Tod der Klein-Bäuerin kam. »Der Alte,
der hat seine Frau Tag und Nacht herumgescheucht, und ständig abgekanzelt hat
er sie, die Klein-Bäuerin hatte keine erträgliche Stunde bei ihm.«
    »Es ist halt alles zusammengekommen«, lenkten dann die von
Erlenweiler ein, »der zurückgebliebene Bub und der unleidliche Alte und das
Knausern, weil der Milchpreis schlecht ist und der Besamer teuer.«
    Seit nun Mirza ins Haus gekommen war, legte sich der Alte
gewaltig ins Zeug, um sie zu sekkieren.
    »Grundlos«, sagte Fanni immer wieder, »aus reiner Bosheit.«
    »Einer vom Strich muss man energisch kommen«, antwortete dann
Nachbar Meiser, musste aber eingestehen, was immer offensichtlicher wurde:
    Mirza war fleißig und ordentlich.
    Sie hielt auch die Milchbehälter keimfrei sauber. Seit Mirza auf dem
Hof war, gab es keine Beanstandungen mehr vom Gesundheitsamt.
    Mirza konnte überall anpacken. Sie konnte sogar die Kühe melken, per
Hand. Seit drei Wochen molk sie allerdings mit einer Melkmaschine, die Bene für
den Gegenwert von zwei gut gefütterten Kälbern beschafft hatte.
    Der Alte war die Wände hochgegangen, als Mirza die Ansaugzylinder
bei der ersten Kuh in der Reihe der zwölf Rindviecher ansetzte. »Ein Apparat
muss jetzt her zum Melken wegen dem Frauenzimmer, dem vermaledeiten. Damit bloß
kein Dreckfleckerl draufkommt auf die rot lackierten Fingernägel.«
    Zur Bekräftigung hatte er treffsicher auf den Klarsichtschlauch der
Melkmaschine gespuckt, in dem bereits die Milch schäumte.
    Er hatte es mit dem Spucken, der Alte.
    »Da kann man halt nicht selber Hand anlegen, mit drei Ringen an
jedem Finger – in Minirock
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