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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition)
Autoren: Jutta Mehler
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gehänselt, und wenn er dann geweint hat, sind sie weggelaufen. Am
schlimmsten war der Bub vom Böckl.«
    Fanni drehte sich um und deutete aus dem Fenster. »Hier rechts auf
der anderen Straßenseite wohnen die Böckls.« Sie ließ Sprudel einen Moment
Zeit, das Haus ins Auge zu fassen, und fuhr dann fort: »Dem Böckl hat es schon
leidgetan, dass sein Junge so ein Früchtchen war. Er hat ihn sogar ein paarmal
verdroschen deswegen. Aber der Bub hat es einfach nicht lassen können, den Bene
zu piesacken. Irgendwann hat es der Böckl dann aufgegeben. ›Ich kann meinen
Buben wegen dem Trottel vom Klein-Hof doch nicht erschießen‹, hat er gefaucht. –
Der Böckl hat nämlich eine Waffenhandlung in der Stadt, und Jäger ist er auch«,
flocht Fanni ein, um die Art und Weise dieser abwegigen Bestrafung zu
rechtfertigen.
    »Aha«, machte Sprudel.
    Fanni wollte schon weiterreden, da machte Sprudel noch: »Ähm.«
    Fanni sah ihn an.
    »Der alte Klein, Benes Vater, hat der nicht eingegriffen?«, fragte
Sprudel.
    »Ja schon«, sagte Fanni, »der hat dem Böckl-Jungen und den anderen
Kindern immer Mistbatzen nachgeschmissen – damals war noch ein Misthaufen
hinter der Scheune – und manchmal sogar Steine. Aber der Böckl-Bub und
Konsorten, die waren ausgefuchst, die haben es jedes Mal spitzbekommen, wenn
der Alte auswärts war, und dann sind sie angerückt. Vor Benes Mutter haben sie
keine Angst gehabt. Benes Mutter haben sie bloß ausgelacht.«
    Fanni schwieg. Sprudel schob seine faltige Wange halb über das
rechte Auge und sah sie mit dem linken aufmunternd an. Das Auge war blau.
    Fanni setzte wieder an: »Den Böckl hat natürlich weiterhin das
schlechte Gewissen geplagt, und eines schönen Tages, ich weiß noch, dass es
kurz vor Benes sechstem Geburtstag war, hat er dem Bene einen Hund gebracht.
Der Böckl hält sich seit jeher einen Jagdhund, deshalb hat er eine Menge
Kontakte zu Hundezüchtern. Es ist für ihn nicht schwer gewesen, ein geeignetes Tier
für Bene zu finden. Böckl hat sich sogar die Zeit genommen, dem Bene zu zeigen,
wie man mit dem Hund umgehen muss. Bello war ein kluger Hund. Wenn er geknurrt
und die Zähne gefletscht hat, dann sind der Böckl-Bub und seine Kumpane
geflüchtet. Keiner hat sich mehr getraut, ›Benelein dummes Schwein‹ oder irgend
so was zu grölen. Der Hund hat den Spitzbuben das Mütchen gekühlt, und bald war
es ein für alle Mal aus mit dem Triezen. Jetzt sollte man eigentlich denken,
der alte Klein hätte sich über den Bello gefreut. So hat es aber überhaupt
nicht ausgesehen, ganz im Gegenteil. Er hat geflucht und herumgebrüllt. ›Bringt
der Böckl so einen Sauköter daher, der uns die Haare vom Kopf frisst und die
Hühner verscheucht‹, hat er ständig gewettert.«
    Fanni holte Atem.
    »Das war glatter Unsinn«, sagte sie dann und fuchtelte mit dem
Zeigefinger vor Sprudels Nase, »was der Alte da verzapft hat. Er kommt öfter in
den Schlachthof als in die Kirche und hätte ein ganzes Rudel Wölfe ernähren
können von all den Schweinefüßen und Kalbsschwänzen, die er mit heimnehmen
kann. Und was die Hühner angeht, die hat der Bello nicht mal angeschaut.«
    Fanni suchte mit ihrem Blick vorsichtig Sprudels Auge. Es machte sie
ein wenig nervös, dass ihre weitschweifige Rede noch immer nicht ahnen ließ,
worauf sie eigentlich hinauswollte.
    Das Auge blickte interessiert und freundlich.
    Fanni preschte weiter: »Der Bello war Benes bester und einziger
Freund, und er war Benes Schutzengel. Der Bello hat auch jeden Fremden
gemeldet, der in die Nähe des Hofes kam, und einmal hat er die ganze Familie
mitten in der Nacht aus dem Schlaf gebellt und damit die wertvollste Kuh auf
dem Hof gerettet. Sie war mit dem Kalben zu früh dran und hätte mitsamt dem
Kälbchen zugrunde gehen müssen, wenn ihr keiner zu Hilfe gekommen wäre. Aber
der Alte hat Bello von Tag zu Tag schlimmer traktiert: Er hat mit dem Stiefel
nach ihm getreten und ihm mit der Mistgabel gedroht. Er hat den armen Bello nur
Sauköter genannt. Der Böckl hat oft gesagt, er würde den Bello am liebsten wieder
abholen, wenn es nicht wegen dem Bene wäre. Alle Nachbarn haben ihm recht
gegeben. Ich auch. Bis zu dem Sonntag, an dem mir die Eier ausgegangen sind.
    Zu der Zeit haben meine drei Kinder noch zu Hause gewohnt, und ich
wollte sie und meinen Mann nicht um ihre Frühstückseier bringen. Deshalb bin
ich schon um neun Uhr früh über die Wiese zum Hof hinaufgetrabt und hab ans
Küchenfenster geklopft. Das machen
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