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Satan - Retter der Welt

Titel: Satan - Retter der Welt
Autoren: Catherine Webb
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Sam stellte sich vor, dass es ein eindrucksvoller Kampf war, von außen betrachtet. Doch innerhalb der Mauer aus scharfem Silber, die er für sich selbst geschaffen hatte, erschien dieser Kampf nur endlos und unsinnig. Eins, zwei, einundeinhalb, wenn man die Finte mitzählte, zwei, nur mithilfe eines hastigen Schritts nach hinten und eines Stoßes nach unten, um einen wohlgezielten Schlag von Seth mit der Klingenspitze abzufangen. Eins, zwei, niemals ein dritter Schritt, denn drei hieße, den Rhythmus zu brechen, und bedeutete, dass jemand anders den Gang bestimmte. Oder wenn es einen dritten Schritt gab, dann musste man einen vierten bereits vorbereitet haben, den Geist des Gegners kennen, ohne dessen Gedanken zu lesen. Eins, zwei, drei, vier. Bewegungen, die komplizierter wurden, eine dritte, die auf eine zweite traf, wo sich die beiden zuvor nach nur einem Stoß und einer Parade getrennt hatten und zu einer neuen Eröffnung zurückgekehrt waren. Wie beim Schach. Die Eröffnungszüge waren vorbei, jetzt trat man in den schwierigeren Mittelteil des Spiels ein. Stoß trifft Parade, gefolgt von Riposte, gefolgt von Reprise, gefolgt von Bindung, gefolgt von Lösung, gefolgt von Stoß. Der Rhythmus wird härter, wird schneller, mehr Blößen tun sich auf. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs. Atmen. Nichtvergessen zu atmen. Bewegungen, die er nie gelernt hatte, kamen aus Erinnerungen, die nicht die seinen waren. Empfindungen erfüllten ihn, die nicht ihm gehörten, Echos von Gefühlen aus vorangegangenen Gefechten, die er nie geführt hatte. Fließen wie das Wasser, hacken wie die Axt, einschlagen wie der Blitz, tanzen wie der Wind. Methoden, die er nie gelernt hatte, in Worte gefasst, die er nie gehört hatte, aber er kannte sie dennoch.
    Er blickte mit einem Gefühl der Entrücktheit auf seine eigenen Empfindungen und fragte sich, ob er das Licht einsetzen sollte? Es würde ihn zumindest von seinen morbiden Gedanken ablenken.
    Er blickte auf Seth und sah, dass das Gesicht seines Bruders blass und verschwitzt war. Sein eigenes vermutlich auch. Er blutete aus einem Dutzend kleinerer Schnitte, und Seth erging es nicht anders. Sam hatte den Schmerz nicht einmal gespürt. Seth hatte an irgendeinem Punkt des Gefechts sein Stilett gezogen, und er stellte zu seiner Überraschung fest, dass er ebenfalls seinen Dolch in der Hand hielt. Er sah Seth an. Seth sah ihn an. Sam verspürte den Drang zu lachen und wusste nicht, worüber.
    »Hi, Bruder«, sagte er, aus Mangel an etwas Besserem.
    »Hi«, sagte Seth.
    Eins zwei, drei, vier, fünf, sechs, Schritt und Ducken und Stoß und Drehung und Stich und Ausfall. Dolch umgreifen, ihn in der Drehung runterführen, Drehung beenden, Schwert rauf, Hieb beiseite schlagen, Ausfall abwehren, treten, atmen, eins, zwei, drei, vier...
    Es hätten Laute von draußen zu hören sein können, aber er war sich nicht sicher. Alles, was zählte, war das Schweigen, der Frieden, seinen Gedanken zu lauschen, seine Gefühle zu spüren, seine Waffen zu führen. Wen kümmerte es, dass Seth da
    einen Stoß machte und dort einen Hieb? Die Arme, die Sam Linnfer gehörten, kamen auch da und dort und hier zurecht, und die linke Hand, die seinen Dolch hielt, seinen, kam da hoch und dort und hier, und sein Geist dachte seine Gedanken, und seine Augen sahen Dinge, die nur er sehen konnte, und sein Herz pumpte das Blut schneller durch seinen Körper und schneller und schneller.
    Und Seth taumelte zurück, öffnete den Mund und zischte: »Warum stirbst du nicht, Bru-«
    Und Sams Dolch durchschnitt die Luft, geführt von seinem ruhigen Willen, gehalten von seiner bebenden Hand und bohrte sich in Seths Herz. Und Seth starrte auf ihn, mit großen, erstaunten Augen. Und das Krummschwert fiel aus Seths Hand, und Seth griff nach seinen Armen, stützte sich auf ihn und ging zu Boden. Sam stürzte mit ihm, das Schwert fiel aus seiner Hand. Seth öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hustete, sah Sam an, blickte an ihm vorbei und lächelte matt. »Das war gut«, flüsterte er leise. »Du hast dazugelernt.«
    »Es tut mir leid. Es war... notwendig.«
    Sam grinste, ein schwaches, blasses Grinsen. Sam hatte gar nicht gemerkt, wie viel Blut sie beide verloren hatten oder wie müde sie beide waren. »Sag ihnen, meine letzten Worte waren irgendwas Tiefsinniges.«
    »Sicher. Es war eine wirklich beschissene Ewigkeit, nicht wahr?«
    Und Seth starb. Kein Feuerwerk, keine Magie. Eine Sekunde lang ein Lebensfunke, in der nächsten
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