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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder
Autoren: Andrej Longo
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tat. Ein freundlicher, vornehmer Herr, der aber ein wenig taub war und deshalb nichts gehört hatte.
    Inzwischen war eine weitere halbe Stunde rum, und grade als die Spurensicherung kam, rief das Kommissariat aus Capri an. Sie hatten Cangiullo gefunden, der eine Flasche Martini gekippt hatte und auf den Certosa-Felsen klettern wollte, um sich von oben runterzustürzen. Sie hatten versucht, ihn zu verhören, aber er sagte immer nur, dass es seine Schuld wäre und dass er vom Felsen springen wollte.
    Jedenfalls hatten sie ihn und wollten wissen, was sie mit ihm machen sollten.
    »Haltet ihn fest«, sagte der Commissario. »In ein, anderthalb Stunden kommt einer von uns und verhört ihn.«
    »Und wer soll da hin, Commissario?«
    »Willst du?«
    Das Meer war spiegelglatt. Aus dem Fenster sah ich das Sonnenlicht auf den Wellen glitzern. Wie wenn ein Fieberthermometer kaputtgeht und das Quecksilber in lauter kleinen Silberkugeln rauskommt. Und die Kugeln sprangen über das Wasser.
    Während ich so an das Quecksilber dachte, döste ich weg, als plötzlich eine Frau ein paar Reihen vor mir einen Lärm machte, dass mich beinahe der Schlag getroffen hätte.
    Erst mal hatte ich keinen blassen Schimmer, auf wen sie sauer war. Dann raffte ich, dass sie telefonierte, mit einem dieser neuen Dinger ohne Kabel, Stecker und so, die sonst die Geheimagenten im Film haben. Die Frau trompetete wie ein Elefant, auch wer sich nicht für sie interessierte, bekam alles mit. In nicht mal drei Minuten wusste das ganze Schiff, dass sie Titti hieß, es nicht erwarten konnte, endlich anzukommen, um ein Glas mit ihrer Freundin zu trinken, dass ihr Mann nächsten Dienstag verreiste und dass sie den Kellner im Strandclub Tiberio echt scharf fand. Dann wollte sie sich zum Abendessen verabreden, aber wegen Bridge oder irgendeiner Party klappte das nicht.
    Wenn ich so ein Ding hätte, könnte mich Mamma überall erreichen, da würde ich nach spätestens einer Woche verrückt werden.
    Währenddessen redete die Frau immer weiter. Mir schwirrte der Kopf, und ich ging raus, um meine Ruhe zu haben.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und rauchte, während ich den Schaum am Schiffsbug betrachtete. Und die Möwen, die sich auf der Jagd nach Fischen reinstürzten. Während ich rauchte, überlegte ich, wieso Sandro seine Freundin geschlagen hatte. Auf dem Foto sah er nicht brutal aus, und ich hätte mein Gehalt darauf verwettet, dass er sie nicht hatte umbringen wollen. Vielleicht war er aus Angst abgehauen, ohne zu merken, was er getan hatte. Wenn er es wirklich gewesen war, dann würde er die Last sein Leben lang mit sich rumschleppen. Kein schönes Leben, dachte ich und warf die Zigarette ins Wasser.
    Hoch zum Kommissariat nahm ich die Standseilbahn.
    Dort brachten sie mich in den Raum zu Sandro. Bei ihm war ein Polizist, damit nichts passierte. Er ging raus, und wir blieben alleine.
    Sandro sah genau aus wie auf dem Foto, nur etwas jünger. Er saß auf der Stuhlkante und starrte aus dem Fenster, ein Bein wippte in einem fort. Er sagte, dass er mit niemandem sprechen wollte. Das wiederholte er zweimal, ohne mich anzuschauen.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Irgendwie machte er mich wütend, und ich hätte ihm gern ein paar Tritte versetzt. Aber dann tat er mir wieder leid, und ich wollte ihn nicht zu hart anfassen.
    »Wenn du’s ausspuckst, fühlst du dich danach vielleicht besser«, warf ich in den Raum.
    Nur so, ohne große Hoffnung.
    Aber plötzlich redete er los, wie ein Wasserfall, die Augen starr aus dem Fenster gerichtet, wie unter Hypnose.
    »Wir haben uns gestritten. Sarah war stur, sie hat gesagt: Ich fahr nicht mit nach Capri, und dann hat sie einfach aufgelegt. Ich bin zu ihr und hab gepfiffen. Wenn ich sonst gepfiffen hab, hat Sarah aus dem Fenster geschaut, diesmal nicht. Dann hab ich geklingelt. Ich hab’s dir doch gesagt, fahr allein nach Capri, das war alles, reingelassen hat sie mich nicht. Von einer Telefonkabine in der Nähe aus hab ich versucht, sie anzurufen, aber sie ist nicht rangegangen. Ich dachte, okay, schauen wir mal, wer der Stärkere ist, und hab das Tragflächenboot um halb vier nach Capri genommen.«
    Er schwieg einen Moment. Dann drehte er sich zu mir um. Seine Augen waren rot, und er sagte leise: »Wenn ich bei ihr geblieben wäre, hätten sie sie nicht umgebracht.«
    Und er trat so heftig gegen den Tisch, dass er beinahe zusammengekracht wäre.
    Ich fragte einen Kollegen, ob ich mal telefonieren könnte.
    Er brachte
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