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Sankya

Sankya

Titel: Sankya
Autoren: Zakhar Prilepin
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einen weiteren Raum, von dort nahmen sie eine große Kiste mit Trockenverpflegung mit.
    »Das genügt, Oleg«, brachte ihn Sascha zur Raison. »Wir müssen fahren.«
    »Gut, fahren wir.«
    Auf der Straße war es ruhig, es dämmerte leicht. Das Licht der Straßenlaternen verschwamm ein wenig, als würde gelbe Aquarellfarbe noch mit Wasser gestreckt.
    »Werft die Motoren an, Horde!«, kommandierte Sascha.
    Oleg lief zum Tor – um aufzumachen. Sascha lenkte die erste Milizkarre zur Ausfahrt. Dahinter reihte sich der Autobus ein. Der Fernfahrer saß am Steuer, wer sonst … Hinter dem Autobus kam eine weitere Milizkarre, der Schamane hatte einen Führerschein und machte auf Rädern gerne Faxen …
    Ohne den Motor abzustellen schlüpfte Sascha aus dem Wagen, gab Oleg einen Kanister mit Benzin: »Hier, den hab ich gefunden.«
    Oleg nickte. Lief mit dem Kanister zum Gebäude.
    »Oj-joi!« Wenja, der auf dem rechten Sitz saß, lehnte sich über Saschas Knie und winkte den Männern im Hundezwinger zu: »Gute Nacht! Seid brav!«
    Oleg war für zwei Minuten im Inneren des Gebäudes, kam heraus, leerte Benzin auf die Schwelle.
    »Mach dir den Spaß!«, lachte Wenja, der seinen vergnügten Schädel nach draußen streckte, um zu sehen, wie Oleg das Gebäude anzündete. »Stell dir den Spaß vor, San! Die Vorgesetzten kommen am Morgen zur Arbeit, und der ganze Verein, die Nachtschicht, sitzt im Zwinger da. Und alles ist abgebrannt. Nur der Zwinger mit diesen Mannsbildern auf der Asche. Ha? Und der mit der blutigen Schnauze und dem durchgebissenen Pflaster rapportiert: »Genosse Oberst, während Ihrer Abwesenheit ist alles scheißen gegangen und verbrannt! Wir konnten es nicht schützen! Wir haben es verloren!«
    Oleg sprang in den Wagen, schlug die Tür zu. Auf dem Rücksitz neben ihm lagen Rohre für Granatwerfer, ein riesiges Kalaschnikow-MG, Zinkkisten mit Patronen.
    Saschka schlug mit der Faust auf die Hupe, stieg aufs Gas – der Schnee wurde aufgewirbelt, sie flogen in der Milizkarre durch das Tor. Der Autobus wackelte hinterher. Sie fuhren schnell die Straße entlang, durch den leeren Park. Wenja brüllte zufrieden irgendetwas.
    »Ich habe den Keller angezündet«, sagte Oleg und rieb sich die nach Benzin riechenden Hände mit Schnee ab, den er auf dem Weg zum Auto in die Handfläche genommen hatte. »Die Alarmanlage geht nicht an, solange das Feuer nicht in den Gang überspringt, wir haben etwa fünfzehn Minuten … Brems neben meinem ›Wolga‹.«
    »Wir haben wenig Zeit«, sagte Sascha.
    »Brems, San.«
    Er stand auf, nachdem er auf die Bremse getreten war.
    Oleg sprang hinaus, öffnete den »Wolga«, kam mit einer Flagge zurück.
    »Solche Dinge muss man schön machen«, sagte Oleg.
    »Alles, was man nur ein Mal im Leben macht, muss man schön machen«, wiederholte er.
    Er nahm die Stange, befestigte die rot-schwarze Stoffbahn, öffnete das Fenster, steckte die Flagge hinaus, die er zwischen Tür und Sitz eingeklemmt hatte. Sascha stieg schon aufs Gas. Die Stoffbahn, lebendig, schmal und bebend, wie ein Tiefseefisch, flatterte im eisigen Wind, ihre wild fauchenden Seiten dem aufgepeitschten Schnee ausgesetzt.
    Sascha dachte an nichts, fürchtete nichts, er war steril und durchsichtig, wie eine Spritze.
    Sie rasten durch die Stadt, erschreckten die entgegenkommenden Autos. Knapp vor dem dreistöckigen Gebäude der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten der Stadt blieben sie mit quietschenden Reifen stehen.
    Sie sprangen aus der Milizkarre, zielstrebig, mit Maschinenpistolen – entsichert, Patronen nachgeladen. Der Autobus mit der aufgemalten Bestie und die zweite Milizkarre blieben auf der Straße stehen.
    »Wenja, du hast alles verstanden«, sagte Sascha, um sich noch einmal zu vergewissern.
    »Wenja hat alles verstanden«, bestätigte der.
    Die Tür ins Foyer der Verwaltung war geöffnet. Sie gingen zu dritt hinein.
    Dem Haupteingang gegenüber befand sich auch ein Wachzimmer – allerdings doppelt so groß wie in dem anderen Gebäude, das jetzt brannte.
    Im Foyer saß hinter einem Holztisch ein Milizionär. Seine Maschinenpistole lag auf dem Tisch.
    »Nen schönen Tag«, begrüßte ihn Oleg munter und gab ihm die Hand. Der Milizionär drückte die ausgestreckte Hand, schaute Oleg aufmerksam an, der schon zum Wachzimmer weiterging. Oleg ging zu der dicken Glasscheibe, die das Wachzimmer vom Foyer trennte, schnappte sich den Telefonhörer für eine Verbindung mit dem Diensthabenden – einem pausbäckigen,
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