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Sankya

Sankya

Titel: Sankya
Autoren: Zakhar Prilepin
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kommen, wenn sie eine Schießerei hörten, früher hätte der Diensthabende Verdacht geschöpft: Was für eine Versammlung da rein will, woher diese Streife überhaupt kam – er hätte Oleg die Tür gewiss nicht geöffnet.
    Die »Sojusniki« fuchtelten mit den Gewehren herum, sie vermuteten noch Gefahr, schauten auf den am Boden verstreuten Putz, der nach Olegs Salve heruntergekommen war, traten auf der Stelle herum, sprachen nicht.
    Oleg kontrollierte die vier kleinen Überwachungsbildschirme – zu sehen waren der Hof und der Platz vor dem Eingang.
    »Ein Streifenwagen der Bullen ist gekommen …«, sagte er ruhig. »Lauft, nehmt sie in Empfang … Es kommen drei Mann.«
    Sie stürzten fast um die Wette ins Foyer.
    »Wir lassen sie rein und entwaffnen sie«, konnte Sascha den Jungs noch sagen. »Nach Möglichkeit niemanden umbringen.«
    Die »Sojusniki« waren noch kaum an der Tür, als ihnen die drei Milizionäre schon entgegen kamen, ruhig, dem Aussehen nach müde. Nur einer hatte eine MP, sie hing über die Schulter. Sascha ging an ihnen vorbei ohne zu grüßen, er wollte schauen, ob es an der Tür einen Riegel gebe – damit niemand den Eintretenden nachfolgen könnte. Er fand den Riegel.
    »Bitte – keine Gegenwehr! Hier findet ein Manöver statt!«, erklärte Wenja fröhlich und laut, wie ein Zirkusdirektor, den Eintretenden.
    Sie warfen die zögernden Milizionäre zu Boden, ungeschickt, aber schnell und grob. Einem Hartnäckigen, dem es noch gelungen war, einen »Sojusnik« wuchtig zu treffen, zertrümmerten sie den Kopf mit dem Kolben – auf den Fußbodenplatten des Foyers breitete sich ein Blutfleck großflächig aus.
    Sascha musste sich nicht einmischen – er stand da und schaute zu, wie seine wildgewordenen Jungs fuhrwerkten, Waffen abnahmen, »Armbänder« klicken ließen … einem, der mit wahnsinniger Stimme herumbrüllte, mit den Füßen ins Gesicht traten, gegen die Brust, in die Zähne …
    Ungerührt verfolgte Oleg alles durch die Scheibe aus dem Wachzimmer. Als das Telefon läutete, nahm er den Hörer ab, antwortete irgendetwas.
    »Mit wem spricht er dort?«, überlegte Sascha.
    Drei »Sojusniki« schleppten die Streife ins Wachzimmer, als von Neuem gegen die Eingangstür geschlagen wurde. Erst jetzt fiel Sascha auf: Jener Milizionär, der im Foyer gesessen und von Wenja niedergeschlagen worden war, lag auch da, unter seinem Holztisch; seine Füße schauten unter dem Tisch hervor und er scharrte mit den Absätzen über den Boden, versuchte wegzukriechen.
    Er wollte dem daneben stehenden Wenja sagen – »Wieso, zum Teufel, hast du ihn hier gelassen?!« – sagte aber nichts, überlegte, was zu tun war, öffnete die Tür …
    »Welche Ehrenformation empfängt uns da?«, fragte der erste Eintretende, als er die »Sojusniki« in der Uniform der Sondereinheit erblickte, deren verschwitztes und zerzaustes Aussehen, die flackernden Augen wie von Eichkatzen in einem brennenden Wald aber noch nicht bemerkt hatte.
    Einer nach dem anderen traten sechs Mann ein – als der letzte hereingekommen war, stand der erste schon wie zu Stein geworden da; er hatte den am Boden unter dem Tisch liegenden Milizionär bemerkt, ohne Mütze, mit zerschlagenem Gesicht, in einer Blutlache, der Mund verklebt …
    … Als alles begann, hatte der Diensthabende Oleg die rechte Tür ins Wachzimmer geöffnet, aber es gab, wie sich herausstellte, noch eine weitere Tür auf der linken Seite, die hatten sie übersehen – und durch diese Tür konnte man jenen Raum, in dem sie alle gefangenen Milizionäre zusammengetrieben hatten, verlassen …
    Von dort kam – die Uniformjacke zerrissen, den nackten Bauch entblößt, die Hände hinter dem Rücken gefesselt – der Diensthabende selbst heraus. Offenbar hatte Wenja ihm das Gesicht eilends verbunden, und statt eines weißen Streifens über den Mund war der ganze Kopf kreuz und quer mit schiefen Bändern umwickelt, als hätte der Diensthabende eine Verbrennung erlitten. Weil Wenja das Klebeband wild festgezurrt hatte, waren die Gesichtsmuskeln entstellend verschoben. Als hätte der Diensthabende einen Schlaganfall erlitten, ein Auge befand sich auffällig höher als das andere. Außerdem war es Wenja gelungen, im Bereich des Mundes ein kleines, fingerbreites Loch offen zu lassen – und dort waren schnelle Atemzüge, ähnlich einem stillen Pfeifen. Es schien, als wollte der Diensthabende etwas sagen, aber die Öffnung reichte nicht, um zu sprechen …
    Die
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