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Sandra und die Stimme der Fremden

Sandra und die Stimme der Fremden

Titel: Sandra und die Stimme der Fremden
Autoren: Margot Kreuter
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massig trat die Katzen-Marie ins Zimmer, sie füllte mit ihrer Gestalt den Türrahmen aus.
    Florian Seibold bemerkte verblüfft ihre stattliche Erscheinung in dem grau-weiß gemusterten Jäckchenkleid, das sorgsam frisierte Haar und die schwarze Lederhandtasche, die Frau Arnold verlegen an sich gepreßt hielt. Er kannte die Nachbarin nur in speckigen Kleiderschürzen und mit zerzausten Haaren. Wie sie jetzt dastand, wirkte sie gepflegt und gar nicht wunderlich.
    Doch dann fiel sein Blick auf Frau Arnolds Schuhe. Es waren Männerschuhe, schwarze, dicksohlige Männerschuhe mit breiten, flachen Absätzen. Größe 44 schätzte Florian Seibold. Vermutlich stammten sie aus dem Nachlaß ihres verstorbenen Mannes. Sie wirkten grotesk unter dem wadenlangen Seidenkleid.
    Und doch waren es gerade die Schuhe an den dick geschwollenen Füßen, die Florian Seibold mitleidig stimmten und ihn die Katzen-Marie mit einem freundlichen Gruß willkommen heißen ließen.
    „Ihre Haushälterin meinte, ich sollte Sie mal um Rat fragen“, brummte die Katzen-Marie.
    Florian Seibold stand auf. „Worum dreht es sich?“
    „Ich dachte, das wüßten Sie. Hat Frau Ansbach Ihnen nicht erzählt, wie man mich schikaniert?“ erwiderte Frau Arnold verwundert.
    Florian Seibold stellte fest, daß die Katzen-Marie es liebte, ohne Umschweife zur Sache zu kommen. Ihre direkte Art gefiel ihm. Er deutete zum Flur: „Gehen wir in mein Arbeitszimmer.“
    Frau Arnold folgte ihm, vorbei an Großmutter Ansbach, die ihr aufmunternd zunickte.
    „Wo sind sie?“ fragte Sandra, als sie wenig später mit einem Beutel voll Trockenwäsche hereinkam.
    „Im Herrenzimmer“, erwiderte Frau Ansbach.
    „Was hat Herr Seibold denn zu der Sache gesagt?“ erkundigte sich Joschi.
    „Hast du schon mit dem Bauhaus gesprochen? Nehmen sie den Draht zurück?“ fragte Sandra.
    „Wir behalten den Draht. Herr Seibold war selbst dort und hat mit dem Mädchen gesprochen, das die Bestellung entgegengenommen hat. Ja, also. . Frau Ansbach zögerte, weiterzusprechen. „Es sieht so aus, als hätte Frau Arnold selbst den Draht bestellt.“
    „Das glaubst du doch selber nicht!“ rief Sandra empört. „Vielleicht stecken die mit dem Kerl, der das Ganze angezettelt hat, unter einer Decke.“
    „Es war eine Frau mit einer tiefen Männerstimme, die den Draht bestellte.“
    Sandra und Joschi blickten überrascht und ungläubig.
    „Bringt die Wäsche ins Bügelzimmer und kommt in die Küche. Ich mache euch euer Essen“, sagte Frau Ansbach.
    Stumm saßen Sandra und Joschi am Küchentisch und warteten auf ihren Eierkuchen.
    „Nehmt euch das nicht so zu Herzen“, sagte Frau Ansbach. „Frau Arnold ist eine wunderliche alte Frau. Viele alte Menschen leiden an Verkalkung und stellen die verrücktesten Sachen an. Mein Vater zum Beispiel hat in seinem letzten Lebensjahr, er starb mit zweiundneunzig, eines nachts unsere Vogelvoliere geöffnet und die Sittiche, Kanarienvögel und was sonst noch alles an Vögeln darin war, hinausgelassen. Meinen Bruder traf fast der Schlag, als er das Vogelhaus halbleer fand. Unser Opa meinte, er hätte ein gutes Werk getan, weil er die Vögel aus ihrer Gefangenschaft erlöste.“
    „Man sperrt auch keine Vögel ein“, bemerkte Sandra aufsässig.
    Ihre Großmutter hob ärgerlich die Augenbrauen. „Das ist Ansichtssache“, erwiderte sie knapp. „Auf jeden Fall wäre es wohl am besten, wenn die Katzen-Marie ihr Haus aufgäbe und in ein Altenheim ginge.“
    „Vielleicht ist es genau das, was der anonyme Warenbesteller bezweckt“, murmelte Joschi.
    „Was hätte er davon? Außerdem läßt Frau Arnold ihre Tiere nicht im Stich. Sie geht nie von hier weg!“ sagte Sandra hitzig.
    „Und wer wird die alte Frau pflegen, wenn sie krank zu Bett liegt? Manche Menschen muß man vor sich selbst beschützen“, wandte ihre Großmutter ein.
    Sandra ging zur Tür, öffnete sie und horchte hinaus. Als sie nichts hörte, kehrte sie an ihren Platz zurück. „Wenn man bloß wüßte, was sie so lange reden.“
    „Herr Seibold wird es uns berichten“, meinte ihre Großmutter und ließ eine Hälfte des Eierkuchens auf Sandras und die andere Hälfte auf Joschis Teller gleiten. „Guten Appetit. Nehmt euch Kompott.“
    Endlich wurde die Tür des Herrenzimmers geöffnet. Herr Seibold begleitete seine Besucherin über die Terrasse hinaus.
    Als er ins Bügelzimmer kam, wo Frau Ansbach an der Bügelmaschine saß, und Sandra und Joschi die geplättete Wäsche zusammenfalteten,
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