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Sand & Blut

Sand & Blut

Titel: Sand & Blut
Autoren: Xander Morus , Isabell Schmitt-Egner
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von ihrer Schule, auch wenn dieser Mann, Vincent, keine Ähnlichkeit mit ihm aufwies.
    »Jetzt fragt ihr euch natürlich, warum ihr mich nicht erkannt habt. Das ist nicht eure Schuld. So, wie es nicht meine war, dass ich eure wahren Gesichter nicht erkannt habe, als ihr mich zu dieser Grube gelockt habt. Alles wiederholt sich im Leben, im Großen wie im Kleinen. Übrigens, kennt einer von euch die Chaostheorie?«
    »Halt endlich die Fresse!«, schrie Konny. Seine Faust traf mit aller Wucht das Boot.
    Vincent/Maxe lächelte wieder, wie ein nachsichtiger Ordensbruder, der einen uneinsichtigen Sünder belehrt.
    »Wisst ihr, ich habe für jeden von euch ein Schuldmaß festgelegt. Und ich gestehe euch sogar zu, dass ihr ein bisschen über die Stränge geschlagen habt durch euren übermäßigen Alkoholkonsum. Andererseits gehöre ich nicht zu den Leuten, die finden, ein besoffener Autofahrer ist nicht schuldfähig, wenn er ein Kind überfährt. Wer sich besoffen hinters Steuer setzt, ist in dem Moment schon schuldig. Findest du nicht auch, Tillman?«
    Till schwieg und Meike dachte wieder kurz, dass auch dies ein unechter Moment war. Nicht, weil Vincent da oben stand und zu ihnen sprach und sie zuhörten wie bei einem Kirchenprediger, sondern weil sie alle dabei unbewusst weiter schwammen, immer auf der Stelle. Wie lange sie jetzt schon hier im Wasser ausharrten, konnte sie gar nicht sagen. Und keiner von ihnen versuchte wegzuschwimmen. Gut, warum auch? Sie konnten nirgendwo hin. Nur zu der Sandbank.
    »Dass ihr mich in diese Grube geschmissen habt und den Inhalt der Katzenklos über mir ausgeleert habt, das war geplant. Das weiß ich. Aber weil ihr total besoffen wart, habt ihr auch noch auf mich draufgepisst. Ihr habt euer gesoffenes Bier auf mir abgeladen. Ihr habt gelacht dabei. Du auch, Doreen. Dein Lachen war schlimmer als die Pisse, die Scheiße und mein gebrochener Arm. Es war so viel schlimmer. Ich höre es heute noch. Kannst du dir das vorstellen? Du hast mich mehr verletzt als alles andere. Und dann seid ihr weggegangen. Einfach so. Habt ihr mich vergessen? Oder hattet ihr vor, mich da wieder rauszuholen? Wisst ihr, wie lange ich da drin war? Weißt du das, Konny?«
    Jetzt lächelte Vincent nicht mehr. Konny hatte den Blick gesenkt, aber nicht vor Scham, sondern vor Wut. Das konnte Meike deutlich sehen. Sie selbst fühlte eine merkwürdige Lähmung in ihrem Kopf. Till hatte das auch getan. Er war dabei gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Freund zu so etwas fähig war.
    »Ihr seid nicht zurückgekommen. Ich habe die ganze Nacht dort in dem Dreck verbracht. Ich hätte sterben können, wenn ich es nicht nach oben geschafft hätte. Angenommen, ich hätte mir die Beine statt den Arm gebrochen. Nicht ganz unwahrscheinlich bei der Tiefe. Ich wäre da drin verdurstet. Mit meinem gesunden Arm hab ich mir Stufen gegraben, bis ich draußen war. Da war es schon Nachmittag. Und wisst ihr, was ich dabei gedacht habe?«
    Alle schwiegen. Leise Wellen glucksten gegen das Boot.
    »Ich dachte, entweder zeige ich euch jetzt an, aber dann steht das Wort von Dreien gegen das von einem. Oder ich warte. Bis zum richtigen Moment. Hat ein paar Jahre gedauert, geb ich zu. Ich musste mich vorbereiten, damit ihr auf mich reinfallt. Ich war viele Stunden im Fitnessstudio. Und Frisuren beeinflussen unser Äußeres zu siebzig Prozent. Unglaublich, aber das stimmt wirklich. Ich war konsequent in all den Jahren. Ich habe mir und euch etwas versprochen und das löse ich jetzt ein. Dabei hab ich mich darauf verlassen, dass ihr mich einfach nicht erkennt, weil ihr noch so seid wie früher. Nach dem Abendessen mit euch war ich dann ganz sicher. Ihr hattet euch keinen Deut geändert. Doreen, du hattest keinerlei Interesse an mir, als ich euch in der Bar angesprochen habe. Kaum hattest du mein Schiff gesehen, warst du das süßeste Mädchen, das man sich vorstellen kann. Sie will nur deine Kohle, Konny. Sie kann dich reinlegen, ohne dass du was merkst, weil ihr alle gleich seid. Ganz auf euch fixiert, durch Filter hörend und sehend. Ihr nehmt andere doch gar nicht bewusst wahr. Das hat mir bei meinem Plan wesentlich weitergeholfen. Wer anderen eine Grube gräbt, kann selbst eines Tages darin liegen. Eure Grube ist zwar ziemlich groß ...« Er sah sich einmal demonstrativ um. »... aber raus kommt ihr trotzdem nicht. Ich wünsche euch viel Spaß. Ich werde ihn sicherlich haben. Schau mich nicht so an, Meike. Du denkst, du bist ein
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