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Sand & Blut

Sand & Blut

Titel: Sand & Blut
Autoren: Xander Morus , Isabell Schmitt-Egner
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entsetzten Blick stand.
    »Das kannst du nicht machen!«, sagte ich empört. Tanja verzog nur abfällig das Gesicht und starrte ins Leere. Sie war blass und ihre Haut hatte noch immer diesen glänzenden Schimmer.
    Ich merkte, dass das Ritalin und die viele Arbeit ihr das Gehirn vernebelt hatten. Ritalin macht auch gefühlskalt, erinnerte ich mich plötzlich. Ja, ich sah ihr an, dass sie es ernst meinte. Um sie nicht weiter zu provozieren, willigte ich ein.
    »Okay!«, sagte ich und in dem Moment glaubte ich auch noch, dass ich da irgendwie rauskommen würde. Zuerst musste ich sie mal beruhigen und dann, wenn sie meinen Doktortitel sah, würde sich sicher alles einrenken.
    Um uns auf andere Gedanken zu bringen, schlug ich vor, einen kleinen Spaziergang um die Sandgrube zu machen. Tanja war einverstanden und so trotteten wir über den fast leeren Strand zum Ufer, an dem sich die kleinen Wege um den See schlängelten. Die Sonne stand schon etwas tiefer und das Licht war merkwürdig diesig. Aber es war noch immer nicht zu kalt. Tanja trug nur ein dünnes Sommerkleid. Ich machte einige Scherze und ich hatte das Gefühl, dass ich sie zumindest ein bisschen erreichte.
    Die Sache mit dem Ritalin, ihrer Doktorarbeit und dem Schock meines Betrugs hatte uns beiden ganz schön zugesetzt. Irgendwo zwischen den Gebüschen griff ich sie an den Hüften und zog sie zu mir. Wir küssten uns und sie drückte sich schutzbedürftig in meine Arme. Als wir uns voneinander lösten, schaute sie mich ernst an.
    »Ich bestehe darauf, dass du die Sache klärst. Wenn du die Doktorarbeit so abgibst, dann zwingst du mich, zu handeln.« Ihre Augen waren kühl trotz unseres gerade getauschten Kusses. Und ich glaubte ihr. Das Ritalin hatte sie zu einem kühl kalkulierenden Menschen gemacht. Ich verfluchte mich dafür, dass ich es ihr besorgt hatte.
    Lad den Teufel in dein Bett und du erlebst eine heiße Nacht.
    »Ja, du hast ja recht!«, maulte ich und starrte auf ihren nackten Rücken. Er war rot verpickelt vom Ritalin.
    »Mach es gleich morgen!«, sagte sie und schritt weiter den Pfad entlang. Ich schlich ihr entmutigt hinterher. Sie meinte es tatsächlich ernst. Leichte Wut stieg in mir auf. Hatte ich etwa Ritalin genommen? War das nicht genauso ein Betrug? Immerhin war es eindeutig Gehirndoping und ich hatte gesehen, wie sie wie ein Zombie arbeitete. Und jetzt auch noch wie einer aussah.
    Während ich im Kopf mit mir diskutierte, merkte ich gar nicht, dass wir dem Loch, das ich vor einigen Wochen entdeckt hatte, immer näher kamen. Ich hatte es völlig vergessen. Wir umrandeten das zugängliche Ufer und betraten den dünnen Trampelpfad, der direkt zur steil herabfallenden Grubenwand führte. Hier war kaum noch jemand.
    Der Pfad wurde schmutziger, doch Tanja machte keine Anstalten, umzukehren. Ich hörte kaum noch die Schreie der Badenden. Das Licht drang nicht mehr zwischen die Bäume und es wurde kühl. Ich starrte wie hypnotisiert auf ihren Rücken und zählte die wundgekratzten Pickel. Ihre Haut sah aus wie eine blutige Kraterlandschaft. Tanja drehte sich nicht um, sondern lief einfach weiter. Sie wollte sich bewegen. Ich spürte das. Vielleicht war es auch ihre Wut über sich selbst und was sie sich angetan hatte. Aber ich wusste, dass sie, wenn es möglich wäre, sofort wieder nach dem Zeug gegriffen hätte. Sie schnaufte und schob dicke Zweige zur Seite. Jetzt erst fiel mir wieder ein, was ich hier entdeckt hatte.
    Das Rattennest lag direkt vor uns. Zumindest da war dann Schluss, dachte ich. Und kurz darauf blieb Tanja auch abrupt stehen. Ich wäre fast in sie hineingestolpert, wenn ich nicht rechtzeitig den Kopf gehoben hätte, um ihre teigige Silhouette direkt vor mir auftauchen zu sehen.
    Das Loch lag direkt vor uns. Jetzt, wo wir standen, konnte ich die Ratten fiepen hören. Es knisterte im Gebüsch um uns herum und das fahle Sonnenlicht brach sich in den morschen Zweigen. An den Rändern war das Loch matschig und lehmig und ich sah, dass Tanja ihre Füße in den braunen Schlamm drückte. Sie starrte fasziniert in den Abgrund.
    »Hey, das wollte ich dir aber nicht zeigen!«, sagte ich und trat neben sie. Seit meinem letzten Besuch war das Loch tiefer geworden. Ich schätzte es auf mindestens drei Meter. Auch wenn um uns herum die Natur fast webte und bebte, in dem Loch war es einfach nur tiefschwarz. Ganz unten am Boden konnte ich das Gewimmel der Ratten erkennen. Es waren vielleicht zwanzig Stück. Sie krochen hektisch übereinander
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