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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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hätte ihm gezeigt, wie schwer sie das Los nahm, das ihr der geliebte Bruder mit seiner Aufforderung beschied. Sie war richtig wütend auf ihn.

3.

    Seit Stunden lag Montfort fast unbeweglich und mit geschlossenen Augen auf seinem Spannbett. Innerlich jedoch war er unruhig und gereizt wie selten zuvor, was nicht zuletzt am Dauerregen lag. Noch ließen die Zeltplanen das Wasser nicht hindurch, doch die Feuchtigkeit kroch von unten herein. Die Streu roch bereits muffig und schimmelte. Trockenes Stroh war kaum noch zu bekommen. Nur gut, dass sie die empfindliche Ausrüstung rechtzeitig nach oben, unter die luftigen Speichendächer der Zelte gebracht hatten, wo seit gestern auch die Kettenhemden, Wappenröcke und Umhänge hingen. Aber dafür ging langsam das eingesalzene Fleisch zur Neige. Blieb nur zu hoffen, dass nicht auch noch die Heeresseuche ausbrach. Erste Anzeichen gab es bereits: Ein Ritter aus dem Gefolge des Grafen von Bar hatte hohes Fieber und Durchfall. Es hieß, er sei gestern so schwach gewesen, dass ihm sein Knappe die Bruche hätte aufschneiden müssen, als ihn der Stuhlgang überkam. Und dem treuen Floreant, seinem eigenen Bannerführer, lief seit Tagen das Wasser vom Kopf durch die Nase.
    War es nicht schon an der Zeit für den Weckruf?
    Montfort erhob sich, schlüpfte in das Beinkleid von ungebleichtem Linnen, dann in seine Stiefel und in das mit Grauwerk gefütterte Wams, das er schon am Tag zuvor getragen hatte. Er zog den Vorhang beiseite, der sein Bett vor Zugluft und neugierigen Blicken schützte, und schob mit zwei Fingern die Zeltplane an einer Stelle auf, wo der Stoff ein Stück eingerissen war. Mit einem Auge lugte er hinaus. Es war noch immer finster draußen, wenngleich die verdammte Burg in ihren Umrissen bereits zu erkennen war. Lavaur ...
    Simon seufzte. Er drehte sich um, ließ sich in seinen Scherenstuhl fallen, der mit einem Schaffell ausgelegt war, und zog sich die Felldecke über die Knie.
    Lavaur ... Die Belagerung dieser Stadt aus rotem Backstein und ihrer Burg, hoch oben über dem Fluss Agout gelegen, ließ sich nicht gut an. Sie sog ihm und seinen Männern die Kraft aus dem Leib. Und die von Bischof Fulco fest zugesagten Tolosaner-Truppen ließen noch immer auf sich warten. „Kein Verlass, kein Verlass ...“, flüsterte er und verfluchte einmal mehr seine Bereitschaft, die Vizegrafschaft Carcassonne und zugleich die militärische Führung der Kreuzfahrer angenommen zu haben. Aber hätte er sie ablehnen sollen, nachdem viel zu lange schon beratschlagt worden war, wem man die Herrschaft über die eroberten Ländereien anvertrauen könne. Hervé, dem Grafen von Nevers? Odo, dem Herzog von Burgund?
    Montfort blies die Backen auf. Keiner der beiden war bereit gewesen die Verantwortung zu übernehmen. Sie seien gekommen, den rechten Glauben zu verteidigen, und nicht, um sich am Besitz eines geachteten okzitanischen Edelmannes zu bereichern, hatten sie sich herausgeredet. Da war der geistliche Heerführer, Arnaud Amaury, zu ihm gekommen: "Ihr seid ein Mann, katholisch im Glauben, ehrbar in Eurem Verhalten, tapfer im Kampf, Graf von Montfort“, hatte er schmeichlerisch angeführt, mit seiner süßen Stimme, bald leise, bald lauter singend. „Gott hat Euch auserwählt!“
    Von Gott auserwählt? Er? Zuerst war er erschrocken gewesen, sogar bestürzt. Schnell und abgehackt hatte er geantwortet, weil er innerlich so erregt gewesen war. Bescheiden hatte er ins Feld geführt, dass auch er unfähig und unwürdig für dieses Amt sei. Selbst als sich ihm sämtliche Barone zu Füßen warfen und ihn bedrängten, die neue Aufgabe anzunehmen, hatte er noch gezögert. Erst als Amaury in seiner Machtvollkommenheit als päpstlicher Legat ihm streng befahl, aufgrund seiner Gehorsamspflicht zu tun, worum sie ihn bäten - schließlich seien noch viele und sehr stark befestigte Plätze der Ketzer zu erobern -, hatte er sich gefügt.
    Noch viele und sehr stark befestigte Plätze der Ketzer. Wie dieses verdammte Lavaur da draußen. Montfort gähnte, rieb sich die Augen. Weshalb schlief er bloß so schlecht. Ließen ihn die Sorgen nicht zur Ruhe kommen?
    Er rief nach dem Knappen, damit dieser Feuer machte. Während er den schmalen Schemen beobachtete, wie er geschickt zuerst mit dem langen Haken im Kohlenbecken herumstocherte, dann den Inhalt des mitgebrachten Glutbehälters hineinschüttete, Reisig auflegte und mehrmals den Blasebalg betätigte, dachte er wieder an die sieben furchtbaren Wochen, als
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