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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer
Autoren: Ake Edwardson
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folgte ich den anderen. Ich brauchte mich nicht zu beeilen.
Dieser Ball würde nicht vor dem Abend wieder herunterkommen. Trotzdem lief ich,
so schnell ich konnte. Ich wollte Kerstin einholen. Die anderen holte ich ein,
aber nicht sie. Sie wartete beim Abschlag auf mich. Der Rest der Mannschaft
hielt immer noch Ausschau nach dem Ball. Ich wartete darauf, dass jemand „Ball
in Sicht!“ schreien würde, aber es kam nichts.
    Kerstin lächelte mich an.
    „Jetzt gewinnen wir“, sagte sie.
    Hinter mir kam Klops hereingestolpert.
    „Was für ein Treffer!“, sagte er.
    „Ich hatte Glück“, sagte ich. Ein Samurai darf nie aufschneiden. Das
ist eine Todsünde. „Hab den Ball eben an der richtigen Stelle getroffen.“
    Wieder lächelte Kerstin. Es war ein Gefühl, als wisse sie etwas über
mich, das ich irgendwie auch wusste, wovon ich aber noch nie jemandem etwas
erzählt hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl.
    Eine der Betreuerinnen pfiff auf der Trillerpfeife. Es war Zeit für
das, was sie Essen nannten.
     
    Das Schlimmste an dem Fraß war, dass wir dreimal in der Woche
Nachtisch bekamen. Der Nachtisch war entweder eine Saftsuppe oder
Pulverpudding. Das war an sich okay, aber wir mussten den Nachtisch vom selben
Teller essen, auf dem das Hauptgericht gewesen war, und da das kaum genießbar
war, schmeckte es noch ekliger, wenn es mit dem Nachtisch gemischt wurde.
    Heute gab es Schweineleber zu Mittag. Ich hatte immer versucht, alles
aufzuessen, was mir vorgesetzt wurde. Aber manchmal fiel es mir schwer.
Besonders schwer fiel es mir, weil so viele drum herum saßen. Das war wie ein
Verstoß gegen die Regeln. Nur wenn sich die Samurai zum Kampf versammelten, war
es erlaubt, dass viele gemeinsam aßen. Sonst sollte man allein essen oder
höchstens mit einem einzigen anderen Samurai zusammen. Für den Samurai war
Reis das Wichtigste. Ein einziges Mal hatten wir in diesem Sommer Reis
bekommen, und da war er in Rotz gekocht worden. Die Köchin in diesem Camp hätte
jeden Wettbewerb gewonnen, in dem es darum ging, das ekligste Essen zu kochen.
Manchmal warf sie einen Blick in den Speisesaal, um zu sehen, wie wir uns an
den beiden langen Tischen quälten. Dann verschwand sie wieder in der Küche, um
für die Alte, die Betreuerinnen und sich selbst Essen zu machen: Koteletts,
gegrillten Fisch, im Ofen gebackene Kartoffeln. Wir konnten es riechen. Zum
Nachtisch aßen sie Eis.
    Und zum Kaffee meine Schokoladenbonbons.
    Jetzt kamen zwei Betreuerinnen mit einem Kessel voll Saftsuppe zu
unserem Tisch und begannen, Suppe auf unsere Teller zu füllen, auf denen noch
Leberreste lagen. Die Suppe sah aus wie Nasenblut mit kleinen weißen Würmern.
Das Blut war dünn, als hätte man es jemandem geklaut, der an Blutmangel litt,
und die Würmer waren Grieskörner und schmeckten wie Popel. Oder war es
umgekehrt?
    Die schleimigen Grieskörner waren in fast jedem Nachtisch, die schien
es billig auf einem Markt für ausrangiertes Viehfutter gegeben zu haben.
    Ich guckte auf meinen Teller. Ich hatte versucht, von den Kartoffeln
zu essen, aber die waren von der Soße völlig matschig geworden. Die Leberstückchen
sahen aus wie Leder.
    Jetzt näherten sich die Betreuerinnen mit dem Suppenkessel.
    „Willst du nicht aufessen?“, fragte Klops und sah auf meinen Teller.
Er hatte seinen sogar abgeleckt, damit er sauber für den Nachtisch war. Er war
wirklich zu bewundern.
    „Ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagte ich.
    Einmal hatte ich alles unter den Tisch gekippt. Ich hatte so getan,
als wäre es mir aus Versehen passiert. Aber die Betreuerinnen hatten mich
misstrauisch angeschaut.
    „Du kannst es nicht noch mal runterkippen“, sagte Klops, „sonst
erschlagen sie dich.“
    „Ich kann ja sagen, du warst das.“ Ich streckte die Hand nach seinem
glänzenden Teller aus, der aufblitzte wie eine Lampe, als plötzlich
Sonnenstrahlen darauf fielen.
    Klops hielt ängstlich seinen Teller fest.
    „Wür... würdest du das tun, Kenny?“
    „Ich hab bloß Spaß gemacht“, sagte ich und zog die Hand zurück.
    Klops sah mich misstrauisch an.
    „Du weißt doch, dass ich so was nicht machen könnte, Klops.“
    Jetzt waren sie mit ihrem Kessel bei uns angekommen. Klops hielt ihnen
seinen Teller hin.
    „Ich möchte keinen Nachtisch“, sagte ich.
    „Du hast deinen Teller ja auch noch nicht leer gegessen“, sagte die
eine Betreuerin.
    „Ich bin noch nicht fertig.“
    „Du musst aufessen, Tommy.“ Sie nickte zum Kessel. „Sonst bekommst
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