Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Musashi nach vorn und knallte sein Ruder Kojiro an den Kopf. Sie
waren beide wie versteinert. Mehrere Sekunden lang wusste keiner von denen, die
das Duell beobachteten, wie es ausgegangen war. Dann kam ein Windstoß und nahm
Musashis Stirnband mit sich. Es war in zwei Teile zerteilt. Und dann sahen sie,
wie Kojiro langsam zu Boden sank.“
    „Tot!“, sagte Klops.
    „Ja, mausetot. Musashis Ruder hatte ihm den Schädel gespalten. Um das
zu schaffen, musste er so nahe an Kojiro heran, dass dieser ihm das Stirnband
mit seinem Schwert zerschneiden konnte.“
    „Aber nicht mehr!“
    „Nicht einen zehntel Millimeter näher“, sagte ich.
    „Sein eigenes Schwert war zu kurz“, sagte Klops.
    „Ja. Musashi hätte ein längeres gebraucht, da Kojiro das längste'
Schwert Japans besaß. Aber Musashi konnte nicht einfach ein anderes Schwert
benutzen, weil Kojiro der Beste gewesen war, die Schwertlänge des Gegners zu
schätzen. Musashi wusste, dass er nur dann im Vorteil war, wenn er sich in letzter
Minute eine neue Waffe beschaffte.“
    „Das Ruder“, sagte Klops.
    „Es war perfekt“, sagte ich, „perfekt bemessen.“
    „Jetzt kann ich ruhig schlafen“, sagte Klops.
     
    4
     
    Aber ich schlief nicht ruhig. Ich schlief schon lange nicht mehr gut.
Zu viel ging mir im Kopf herum. Einige Male hatte ich versucht, Schafe zu
zählen, aber das war noch langweiliger als nicht schlafen zu können. Janne, der
drei Betten von mir entfernt schlief, sprach manchmal im Traum. Es war jedes
Mal dasselbe. Er war mit einem Segelschiff unterwegs. „Land in Sicht!“, konnte
er gegen drei Uhr morgens schreien, als würde das Camp auf dem Meer
dahintreiben. Ganz falsch war es übrigens gar nicht. Das Camp war sozusagen
abgeschnitten vom Rest der Welt. Nur ein einziges Mal im Sommer hatten wir
Kontakt, am Großen Besuchstag.
    Vom Camp aus erreichte man die große Landstraße nur über geheime
Waldpfade oder über den Schotterweg durch den Wald. Aber die Alte schickte
Patrouillen aus, wenn sie den Verdacht hatte, jemand wollte abhauen.
    Trotzdem planten wir eine Expedition durch den Wald. Wir wollten in
die Stadt.
    Aber zuerst kam das Schloss.
    Und zuallererst der Schlaf. Ich drehte mich zum siebzigsten Mal von
einer auf die andere Seite. Janne rief wieder wie einer im Ausguck auf einem
Piratenschiff und ich hatte Lust, aufzustehen und zu ihm zu gehen und „Schiff
ahoi!“ in sein Ohr zu schreien.
    Klops hatte Janne gefragt, was er träumte, wenn er im Traum sprach,
aber Janne konnte sich nie erinnern. Das war schade, denn es musste doch
ziemlich spannend sein, oben im Mastkorb zu sitzen und zu brüllen. Auf jeden
Fall lustiger als es hier, im Camp, war.
    Mitten in diesem letzten Gedanken schlief ich ein. Ich träumte. Eine
Hand hielt mir eine Tüte hin und ich schaute hinein. Es waren lauter
Schokoladenstückchen darin, aber sie waren rot.
     
    Ich stand im See und rieb mir Wasser in die Augen, um sie offen zu
halten. Das hier war kein Traum. Ich sah mich um und entdeckte, dass die
anderen nach der morgendlichen Katzenwäsche schon wieder zum Haus
hinaufgegangen waren. Aber ich machte keine Katzenwäsche. Das Wasser war kalt
und ich rieb es in meine Haut und spürte, wie es mir den Rücken hinunterlief.
Da hörte ich jemanden hinter mir. Ich drehte mich um und sah Kerstin. Sie
schien nicht zu frieren.
    „Ist das Wasser nicht kalt?“, fragte sie.
    „Nicht, wenn man erst mal eine Weile drin ist.“
    „Es sieht aus, als wolltest du irgendwas wegwaschen“, sagte sie.
    „Ich wasch den Schlaf weg“, antwortete ich. „Muss man das?“
    „Man kann doch nicht den ganzen Tag schlafend herumlaufen.“
    „Kann man das nicht?“ Sie schien zu lächeln. „Das klingt schön, finde
ich. Sich wegträumen.“
    „Träumen kann man nachts“, sagte ich und ging ans Ufer.
    Ich trocknete mir das Gesicht mit dem Handtuch ab, das im Gras lag.
    „Ich schlafe hier immer schlecht“, sagte Kerstin. „Weil ... es sind so
viele.“
    „Hm.“
    „Findest du das nicht auch?“
    „Ja. Besonders zu viele Erwachsene.“
    „Wir würden auch gut ohne die klarkommen“, sagte sie und sah traurig
aus. Als wäre eben eine Wolke vor die Sonne gezogen. Ich schaute zum Himmel
hinauf, aber dort waren keine Wolken. Ich rieb wieder mein Gesicht.
    „Bald hast du deine Haut ganz abgenibbelt“, sagte Kerstin.
    Ich ließ das Handtuch sinken.
    „Warum bist du hier?“, fragte ich. „Im Camp?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Ach, komm!“
    „Zu Hause ist alles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher