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Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen

Titel: Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen
Autoren: Francesc Miralles
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Fehler war, dass sie schon einen Freund hatte, was ich allerdings erst nach einigen Monaten erfuhr. Ihr Bruder hatte sich meiner schließlich erbarmt und mir nahegelegt, die Sache zu beenden.
    »Sie liebt keinen von euch beiden«, hatte er gesagt. »Wenn sie ihren Freund lieben würde, wäre sie nicht mit dir zusammen. Und wenn sie dich lieben würde, würde sie ihren Freund verlassen.«
    Eine einfache Gleichung, die mich wieder auf den Pfad der Einsamkeit verschlug.
    Werther hatte wenigstens Wilhelm, seinen treuen Freund, gehabt, dem er sein Leid klagen konnte. Ich hatte niemanden.
    Wahrscheinlich habe ich aus Angst vor weiteren Enttäuschungen aufgehört, soziale Kontakte zu pflegen. Ich hatte genug davon, von vermeintlichen Freunden hängen gelassen zu werden, sobald man sie brauchte. Zudem ist es auch nicht leicht, Menschen zu finden, mit denen man sich auch nur halbwegs interessant unterhalten kann.
    Also grolle ich der Welt und ihrer Dummheit.
    Im Radio wurde eine Jazz-Jamsession aus Tokio über tragen. Genau in dem Moment, als ich die Tortilla erfolgreich wendete, fing das Publikum an zu applaudieren. Ich verbeugte mich mehrfach in der leeren Küche und widmete mich wieder meinem Essen.
    Um elf war ich bereits im Bett, ich hatte das Licht gelöscht und hörte im Dunkeln weiter das Konzert aus Tokio.
    Während ich an die Decke starrte und der virtuos gespielten Musik lauschte, tauchte vor meinem inneren Auge immer wieder der mausetote Japaner auf.
    Vielleicht war es ihm mitten in der Nacht plötzlich schlecht gegangen, und er hatte niemanden um Hilfe bitten können, ging es mir durch den Kopf. Wahrscheinlich leben verheiratete Menschen deshalb länger als ledige. Wenn ich jetzt zum Beispiel ohnmächtig zusammenbrechen würde ...
    Gerade als ich das dachte, verspürte ich einen heftigen Stoß vor die Brust, der mir den Atem nahm. Ich tastete mit der Hand nach dem Telefon und fühlte, wie mir kalter Schweiß auf die Stirn trat. Der Hörer fiel zu Boden.Am ganzen Körper zitternd gelang es mir, die Nachtischlampe anzuknipsen. Da sah ich sie.
    Die Katze. Sie starrte mich aus ihren runden grünen Augen an.
    Das Tier hatte sich offenbar in der Wohnung versteckt. Und nun saß sie auf meiner Brust und beobachtete mich neugierig.
    »Verdammtes Viech!«, schrie ich, während ich mich mit einem heftigen Ruck aufsetzte. Fluchtartig stürzte die Katze ins Wohnzimmer. »Du hast mich zu Tode erschreckt!«, brüllte ich ihr nach.
    Nachdem ich mich von dem Schrecken erholt hatte, sprang ich aus dem Bett, holte einen Küchenbesen und rannte der Katze hinterher, entschlossen, den Eindringling hochkant hinauszuwerfen.
    Von der Katze keine Spur.
    Ich lehnte den Besen an die Wand und inspizierte alle Zimmerecken – ohne Ergebnis. Dann nahm ich mir das Schlafzimmer vor, doch sie war weder unter der Decke noch unterm Bett und auch nicht im Kleiderschrank, dessen Türen nur angelehnt waren.
    Meine zweite Razzia im Wohnzimmer verlief eben so erfolglos wie die erste, die Katze schien wie vom Erdboden verschluckt. Leicht würde sie es mir nicht machen.
    Ein plötzliches Gefühl der Erschöpfung kam über mich. Mehrere Stiche im Rücken bedeuteten mir, lieber wieder ins Bett zu gehen, anstatt weiter auf dem Boden herumzukriechen.
    »Die Schlacht habe ich vielleicht verloren, aber nicht den Krieg«, sagte ich, betont laut, auf dem Weg ins Schlafzimmer. »Morgen kriege ich dich, und wenn ichdie ganze Wohnung auf den Kopf stellen muss. Mach dich auf was gefasst.«
    Ich legte mich ins Bett und sank augenblicklich in tiefen Schlaf, sodass ich sogar vergaß, das Radio auszuschalten.

ERSTE SIEGE
    Am nächsten Morgen erwachte ich von einem leicht vibrierenden Druck auf der Brust. Ich brauchte nicht die Augen aufzuschlagen, um zu wissen, dass es sich nicht um die Vorboten eines Herzinfarkts handelte.
    Seufzend schaute ich an mir herunter und stellte fest, dass die Katze seelenruhig zusammengerollt auf meiner Brust schlief.
    »Du bist ziemlich hartnäckig, was?«, sagte ich zu ihr, während ich überlegte, ob ich ihr direkt an Ort und Stelle den Hals umdrehen sollte.
    Doch stattdessen strich ich ihr mit der Hand über das kurze, weiche Fell. Die Katze schnurrte und blinzelte verschlafen. Schließlich richtete sie sich auf, wölbte den Rücken zum Buckel und streckte gleichzeitig die Vorderpfoten nach vorne, ehe sie sich wieder auf meinen Bauch setzte. Sie schnurrte und mir schien, als lächelte sie.
    Können Katzen lächeln?
    Nach dem Frühstück
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