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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse
Autoren: Tine Bergen
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Theater spielen und Karten für unsere Aufführung verkaufen. Wenn sie welche bestellen wollen, müssen sie uns ihren Namen geben.«
    »Und wenn sie keine Karten wollen?«
    »Dann sehen wir weiter. Wir können doch schauspielern. Improvisieren, Eve!«
    Eve wollte noch etwas entgegnen, aber Lies stand schon neben ihrem Rad. »Ihr habt sicher ein Telefonbuch, oder?«
    Während sie Lies langsam in die Küche folgte, wurde Eve klar, was sie vorhin gesagt hatte. U NSER Haus. Sie schaute nach draußen. Die Schaukel bewegte sich leicht im Wind. Am Graben wurde hart gearbeitet, denn über allerlei Umwege hatte Papa doch die Genehmigung bekommen. Und gestern hatte sie sich gemeinsam mit Lies und Mama Tapeten für ihr Zimmer ausgesucht, das inzwischen strahlend weiß gestrichen war. Eve lächelte. Inzwischen war es das doch auch – ihr Haus?

Eines Abends strich ich beim Ausziehen zufällig mit der Hand über meinen Arm. Meistens zog ich meine Sachen so schnell wie möglich und im Halbdunkel aus. Aber dieses Mal blieb ich an einem Häkchen hängen und wurde in meiner Bewegung unterbrochen
.
    Ich spürte, wie ein Schauer über meine Haut lief. Sie war keine Aufmerksamkeit, keine Liebe mehr gewohnt. Ich legte die Hand an meinen Hals und lauschte. Ich konnte mich selbst nicht betrügen. Mein Herz schlug noch immer, mein Blut strömte. Träger zwar, aber ganz gewiss
.
    Ich stellte mich vor den Spiegel und betrachtete mich. Meine hohlen Augen, die bleiche Haut, das glanzlose Haar. Meine Knochen traten überall hervor, meine Hände flatterten um meinen Körper. Ich krallte die Zehen in den Teppich, fühlte, wie die Fasern meine Fußsohlen kitzelten
.
    Langsam glitt ich mit dem Zeigefinger über meinen Arm. Von meinen Schultern über meinen Ellbogen bis zu meinem Handgelenk. Dann wieder hinauf. Nach und nach strich ich über alle Körperteile. Meine Füße, meine Beine, meine Schenkel, meinen Bauch, meine Brüste, mein Gesicht. Ich zögerte bei dem sanften Hügel, dort, wo meine Haut so weich und empfindlich war
.
    Ich spürte, dass mein Blut schneller zu fließen begann. Sehnte mich mit einem Mal danach, fühlte, dass ich lebte. Nach all den Monaten. Meine Hände konnten nicht mehr aufhören. Mein Herz schlug schneller, mein Blut kribbelte vor Sehnsucht. Ich drückte mein Gesicht in die Kissen, biss mir auf die Zunge. Ich verdiente das hier nicht. Es durfte nicht sein. Ich starrte in die Dunkelheit, auf der Suche nach einer Spur von Juul. Was würde er denken, wenn er mich hier so sähe? Hilf mir, Juul. Was soll ich tun?

»Sollen wir es nicht lieber sein lassen?«
    Eve starrte auf Lies’ Rücken, der vor ihr auf dem Rad verbissen gegen den Wind ankämpfte. Gleichzeitig versuchte sie die Kapuze ihrer Regenjacke festzuzurren, die ihr ständig vom Kopf wehte.
    Es war hoffnungslos. Wenn sie die Kapuze stramm zuschnürte, konnte sie nichts mehr sehen. Ließ sie die Kordel lockerer, wurde sie patschnass. Als sich die Kapuze zum hundertsten Mal löste, gab Eve schließlich auf und hielt ihr Gesicht in den Regen, der auf die Erde niederprasselte. Sie war sowieso schon nass.
    Mit quietschenden Bremsen hielt Lies an einer unscheinbaren Straße an. Sie rieb sich den Regen aus den Augen und spähte zu dem Straßenschild, das nur noch an einer Seite an der Stange befestigt war. »’ T D ORPKEN «, las sie. »Hier muss es sein.«
    Auch Eve schaute zu dem Schild und dann auf die Karte, die Lies mit dem Arm so gut wie möglich gegen den Regen zu schützen versuchte. Sie steckte zwar in einer Plastikhülle, aber bei den Sturzbächen, die vom Himmel kamen, machte das kaum einen Unterschied.
    Eve massierte sich die steifen Finger. Wie konnte man im August nur so schlechtes Wetter haben?
    »Lies«, sagte sie zu ihrer Freundin, die gerade wieder auf ihr Rad steigen wollte. »Nach diesem hier hören wir auf, einverstanden?«
    Eigentlich war ihr egal, was Lies antwortete. Eve war fest entschlossen, nach dieser Wohnung nach Hause zu fahren. Sie hätten sich nie auf den Weg machen sollen, die Idee war einfach hirnrissig. Es schüttete schon den ganzen Tag wie aus Eimern. Ein kleines Kind hätte vorhersagen können, dass sie nass, kalt und übel gelaunt heimkehren würden. Und das alles auch noch ohne jeglichen Erfolg.
    Von ihrer Liste mit den Adressen, in denen laut Telefonbuch ein L. Vinck wohnte, hatten sie in den letzten Stunden fünf besucht.
    Bei den ersten beiden war keiner zu Hause gewesen, sodass sie eigentlich noch immer keine Gewissheit
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