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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse
Autoren: Tine Bergen
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sah nur noch Jacob. Wahrscheinlich war dem gesamten Publikum klar, dass sie eigentlich keine Rolle spielte, aber das war ihr völlig egal.
    Als der Vorhang sich nach der letzten Szene wieder öffnete und die Besucher einer nach dem anderen aufstanden und applaudierten – sogar Belle rappelte sich von ihrem Stuhl hoch –, drang selbst das nicht zu Eve durch. Sie spürte nur Jacobs Hand, die die ihre kräftig drückte, während sie zum Bühnenrand gingen, um sich zu verbeugen.
    Laut jubelnd stürmte die Gruppe erneut hinter die Kulissen. Lies zwinkerte Eve verschwörerisch zu, während Eve und Jacob noch zögernd dastanden.
    Fünf Minuten später rannte Eve mit rotem Gesicht und wirren Haaren in die Garderobe. Die Gänsehaut war einem Kribbeln gewichen, das von ihrem Bauch aus ihren gesamten Körper erwärmte. Sie schwebte Lies hinterher, als die sie zu ihren Eltern zog.
    »Ganz große Klasse, wirklich wunderbar!« Linde fiel ihnen beiden gleichzeitig um den Hals. Sie wiederholte das Ganze bei Philip, der in sicherer Entfernung stehen geblieben war.
    »Gut gemacht, Eve!« Eves Mutter drückte ihren Arm. »Ich habe noch immer Tränen in den Augen.« Papa nickte zustimmend.
    »Super Aufführung!«, sagten Max und Frederik im Chor.
    Eve war von all den positiven Reaktionen ganz überrascht. Wenn sie tatsächlich hätte schweben können, hätten sich jetzt ihre Fußspitzen vom Boden gelöst.
    Kurze Zeit später saßen sie alle gemeinsam an einem großen Tisch im Foyer. »Ich spendier eine Runde!«, rief Linde. »Auf den ersten Schritt Richtung Hollywood!«
    »Können wir uns zu euch setzen?«, hörte Eve plötzlich eine vertraute Stimme hinter sich. Jacob war mit seinen Eltern dazugekommen.
    »Natürlich«, sagte sie und fühlte Mamas neugierigen Blick auf sich ruhen. Dann sah sie, wie sich Lukas zusammen mit seiner Frau an den Tisch hinter ihnen setzte. Er ging auf den Stuhl zu, der genau in Belles Blickrichtung lag.
    Hektisch stieß Eve ihre Freundin an und die Mädchen beobachteten gespannt Belles Gesicht. Für den Bruchteil einer Sekunde schienen ihre Mundwinkel zu erzittern, aber ansonsten verzog Belle keine Miene. Sie ließ sich auch nichts anmerken, als Linde fragte, was sie trinken wolle. In Lukas’ Gesicht war nicht das geringste Anzeichen von Erkennen abzulesen. Eve spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Von einer Minute auf die andere schwebte sie nicht mehr.
    Wie war das nur möglich?
    »Was möchtest du trinken?«
    Jacobs Frage holte Eve in die Wirklichkeit zurück.
    Sie schluckte.
    »Wasser«, antwortete sie und hoffte, dass ihr niemand anmerkte, wie betroffen sie war. »Einfach nur Wasser.«

Aus den Wochen wurden Monate und aus den Monaten wurden Jahre. Meine Kiste war übervoll und bot den ungeöffneten Briefen kaum noch Platz. Was sollte ich mit ihnen machen? Ich verbarg sie unter ein paar losen Dielenbrettern im Hinterzimmer. So musste ich sie mir wenigstens nicht ständig ansehen
.
    Dann plötzlich kamen keine Briefe mehr. Ich wusste nicht, was schlimmer war. Dass Lukas aufgehört hatte sich zu bemühen oder das quälende Gefühl, Lukas’ Briefe, die bis zum letzten Wort mit Liebe gefüllt waren, unberührt zu lassen. Allein den Umschlag in Händen zu halten, meinen Namen zu lesen, hatte mich beruhigt. Niemand sonst nannte mich Belle. Niemand sonst würde mich jemals wieder Belle nennen
.
    Meine Eltern sahen zu und schwiegen, wie üblich. Aber als ich eines Tages vom Tisch aufstehen wollte, hielt Papas Stimme mich zurück. Seine Stimme, die sich in all den Jahren so selten an mich gerichtet hatte, kam mir fremd vor
.
    »Warte, wir gehen

    Ich wartete. Ich fragte nicht wohin, warum, wann, mit wem. Ich wartete einfach. Einerseits war es mir egal. Andererseits freute ich michso über jedes kleine bisschen Aufmerksamkeit, dass ich den Augenblick auf keinen Fall zerstören wollte
.
    Papa und ich zogen unsere Jacken an und ich folgte ihm nach draußen. Im Türrahmen berührten sich unsere Schultern ganz kurz. Der Moment war sofort wieder vorbei
.
    Draußen war es schneidend kalt, merkte ich. Mir fiel jetzt auch zum ersten Mal auf, dass die anderen Leute genauso ärmlich und verbissen aussahen wie Papa und ich. Zwar hatten wir uns vor dem Krieg verschlossen, aber Kummer hatten alle. Wir waren nicht mehr die Einzigen, die einen Sohn, einen Bruder verloren hatten
.
    Als wir am Anfang der Dorpstraat angelangt waren, zögerte ich kurz. Ich schaute mich prüfend um, als würde ich von allen Seiten Blicke
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