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Salzige Küsse

Salzige Küsse

Titel: Salzige Küsse
Autoren: Tine Bergen
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»Wir kaufen ein Haus.«
    »Eigentlich haben wir es schon gekauft«, verbesserte Mama.
    »An der niederländischen Grenze.« Papa schaute sie mit strahlenden Augen an.
    »Mitten im Grünen, in einer schönen Gegend.« Mama sah jetzt auch auf, aber sie spielte immer noch nervös mit ihrem Ehering.
    »Ich ziehe nicht um.«
    Eve hatte ihre Eltern fassungslos angestarrt, vor so vielen Monaten, und nicht gewusst, wen sie zuerst durchschütteln sollte. Vielleicht ihre Mutter. Wie konnte sie nur? Eve hatte immer gedacht, dass Mama die Boutiquen, die große Einkaufsstraße, den Delikatessenladen gleich um die Ecke und das Kino fünf Minuten von der Haustür entfernt auch um keinen Preis der Welt missen wollte.
    Aber Mama hatte bloß dagesessen und gelächelt. Also hatte Eve protestiert und ausnahmsweise unterstützten Max und Frederik sie. Wie sollte das mit der Schule und ihren Freunden gehen? Ihre Eltern hatten kein Recht dazu!
    Doch Mama und Papa waren gut vorbereitet und hatten sich einige überzeugende Argumente zurechtgelegt. Jeder würde eineigenes Zimmer bekommen. Ein großes Zimmer. Sie hätten Platz für Tiere. Eve sah, wie die Zwillinge zögerten. Vielleicht be kamen sie sogar ein Schwimmbad. Die Augen ihrer Brüder leuchteten auf. Es gab eine gute Schule, einen Jugendklub und fünfzig Kilometer waren schließlich nicht das Ende der Welt. Aber für Eve machten sie einen Riesenunterschied. Sie hatte niemals etwas anderes gekannt als ihre gemütliche Wohnung, die vielleicht ein wenig klein war, aber dafür mitten in der Stadt lag.
    Und jetzt …
    Sie hasste dieses Haus. Sie hasste den muffigen, modrigen Geruch, der in der Luft hing, weil die Fenster seit einer Ewigkeit nicht mehr geöffnet worden waren. Die braune Tapete und den schmutzigen Rauchrand an der ehemals weißen Decke. Ganz zu schweigen von dem Fußboden, der unter ihren Schritten knarrend nachgab, so als könnte man jeden Moment einbrechen. Farblos, verlassen, eklig und dreckig war dieses Haus. Und das alles im Überfluss.
    »Eve?« Mama stand unten an der Treppe.
    Eve ließ sich aufs Bett plumpsen.
    »Ich weiß, dass du mich hörst!«
    In Gedanken sah Eve ihre Mutter vor sich: einen Fuß auf der Treppe, den anderen in der Luft. Wie sie mit ihrem Ring ungeduldig gegen das Holz des Treppengeländers tickte, den Kopf in den Nacken legte und noch mal rief, bevor sie nach oben kam.
    Eve warf sich auf die Seite und zog sich das Kissen über den Kopf. Ihr Zimmer war das hinterste. Sie hatte noch ein paar Sekunden …
    Jetzt stand Mama vor ihrer Tür, atmete tief durch. Eve zog sich das Kissen noch fester über den Kopf. Mama zögerte einen Moment und öffnete dann mit einer energischen Bewegung die Tür.
    Eve drehte sich nicht um. Sie spannte die Muskeln an und klammerte sich an dem Kissen fest. Sie rechnete damit, dass Mama es ihr jeden Moment vom Kopf ziehen würde, spürte förmlich Mamas Blick über sich gleiten. Dennoch kam sie unerwartet – die Hand in Eves Nacken und Mama, die sich neben sie aufs Bett fallen ließ.
    »Ich weiß, dass du Antwerpen vermisst. Und es ist hier bisher alles andere als schön, das weiß ich auch. Aber das wird sich noch ändern. Gib ihm Zeit, dem Haus und dir. Du wirst sehen, dass alles halb so schlimm ist. Wirklich.«
    Eve rollte weg von der tröstenden Hand ihrer Mutter, streifte mit der Schulter die Wand und blieb an einem Nagel hängen. Ihre Haut brannte.
    »Eine Bruchbude auf dem Land, die jeden Augenblick zusammenstürzen kann, davon habe ich schon immer geträumt.«
    »In ein paar Monaten sieht es hier großartig aus. Wir müssen jetzt einfach in den sauren Apfel beißen.«
    »Wir hätten auch ganz normal zu Hause bleiben können.« Eve dachte an Eileen, die wahrscheinlich gerade draußen in einem Café saß und sich die vorbeigehenden Leute anschaute. Die hatte es gut.
    »Das
ist
zu Hause.« Mama holte sie in die Wirklichkeit zurück. »Für uns ist es auch nicht leicht. Wir hätten gern alles vor dem Umzug tipptopp in Ordnung gehabt. Aber wir tun, was wir können. Wenigstens das könntest du anerkennen.«
    Mama schwieg.
    Eve war fest davon überzeugt, dass sie den längeren Atem hatte. Sie würde heute nichts anderes machen, als auf diesem Bett in diesem grässlichen Zimmer zu liegen. Aber Mama hatte andere Pläne und Eve zog den Kürzeren.
    »Papa und die Jungs sind schon mit den Fußböden zugange. Ich möchte heute und morgen den Keller aufräumen.« Mama hielt kurz inne. »Mit dir.«
    Eve antwortete
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