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Salz der Hoffnung

Titel: Salz der Hoffnung
Autoren: Patricia Shaw
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heißen.«
            Regal tauchte wie aus einem kalten, feuchten Nebel auf. Als sie vorsichtig den Kopf hob, sah sie sich von lächelnden Gesichtern umringt. Die Mädchen klatschten alle in die Hände. Sie spendeten ihr Beifall! Regal brachte ein Lächeln zustande, ein Lächeln der Erleichterung und der Dankbarkeit, daß vor allem Mrs. Trotter galt. Was für eine nette Dame!
            Und somit hatte ihre Schulzeit begonnen. Sie gewöhnte sich schnell ein und genoß den langen Schulweg über die Felder, doch die ganze Zeit verspürte sie das drängende Bedürfnis, etwas über die Ursache ihrer Schande herauszufinden. Eifrig studierte sie die dicken Bände der Enzyklopädie in der Schule und fand schließlich den Begriff der ›unehelichen Geburt‹. Sie verstand immer noch nicht so recht, was es bedeuten sollte, aber sie war seit jeher ein entschlossenes Kind gewesen. So leicht gab sie nicht auf! Sie wußte, es hatte keinen Sinn, die Erwachsenen direkt zu fragen, sie gaben einem niemals offene Antworten. Allerdings hatte langjährige Erfahrung sie gelehrt, welche Methode sich am besten dazu eignete, an Informationen zu gelangen. Man mußte einfach eine Behauptung aufstellen. Wenn man Unrecht hatte, fielen sie alle über einen her. Passierte das nicht, hatte man seine Antwort.
            »Mrs. Hobway«, fragte sie also die Köchin, »wußten Sie eigentlich, daß ich unehelich geboren bin?«
            Die Köchin war so erschrocken, daß sie beinah ins Mehlfaß gefallen wäre. »Was redest du da, Regal? Du darfst über solche Dinge nicht sprechen.«
            »Aber es ist doch wahr.«
            »Nun ja, es stimmt schon, aber darüber solltest du dir keinen Kopf machen.«
            Tu ich auch nicht, dachte Regal. Ich muß es nur tragen wie eine Narrenkappe. Sie zitierte etwas, das sie im Zusammenhang mit ›leichtfertigen‹ Frauen gelesen und das sie erschreckt hatte, denn sie fürchtete, es könne auf die arme Polly zutreffen: »Meine Mutter hat teuer bezahlt für ihre Sünden«, verkündete sie feierlich. Sie hatte ihre Angel ausgeworfen.
            Mrs. Hobway seufzte. »So sagen es die Leute zumindest. Aber das ist keine sehr barmherzige Weise, die Dinge zu sehen.«
            Also stimmte es! Frauen, die uneheliche Kinder bekamen, waren leichtfertig und mußten teuer bezahlen. Diese Befragung ließ sich ja überraschend gut an. »Genau wie mein Vater«, sagte sie bekümmert. »Er ist auch tot. Also hat auch er teuer bezahlt.«
            »Dein Vater?« Mrs. Hobway sah sie verdutzt an. »Nun, ich weiß nichts über ihn, aber Männer zahlen nicht für ihre Sünden, mein Kind. Ich weiß nicht, wie du auf eine solche Idee kommst. Frauen zahlen, allerdings«, brummte sie düster. »Sie zahlen immer die ganze Zeche. Ich weiß, wovon ich rede.«
            Sie wandte sich wieder ihrem Blätterteig zu und war bald tief in Gedanken versunken. Regal ging hinauf in ihr Zimmer. Das war ja hochinteressant. Männer zahlten also nicht für ihre Sünden. Aber warum nicht? Sie sah aus dem Fenster. Zwei Fischer zogen ihr Boot die Uferböschung des Flusses hinauf. »Männer büßen also nicht«, sagte sie erbittert und dachte an die arme Polly. »Das wollen wir doch erst mal sehen.«
             
            Regal war recht glücklich in Saint Ives. Sie brachte gute Zeugnisse nach Hause, sehr zur Zufriedenheit ihrer Großeltern. Doch die Menschen außerhalb dieser kleinen Welt verunsicherten sie. Die Nachbarn in den anderen großen Häusern entlang der Carriage Road begegneten ihr höflich, aber niemals wurde sie zu ihren Festen oder Picknicks eingeladen. Ihre Großeltern hatten nur noch selten Gäste, bis auf den kleinen Kreis alter Freunde. Und Regals beste Schulfreundin stellte sie vor neue Probleme. Zwar wurde Judith im Hause der Hayes’ willkommen geheißen, doch bei keiner ihrer anderen Freundinnen. »Das ist, weil ich Jüdin bin«, erklärte sie Regal. Regal fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte, und ob es noch schlimmer war, als unehelich zu sein.
            »Sei nicht traurig«, sagte sie zu Judith. »Wenn sie dich nicht einladen, gehe ich auch nicht hin.«
            Judith war von der Loyalität ihrer Freundin tief beeindruckt, doch von dem Zorn, der in Regal brodelte, ahnte sie nichts. Schwarze Listen aufzustellen war für Judith nur ein Spaß, aber Regal bedeutete es mehr als nur romantische Phantastereien. Sie sah darin eine
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