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Salve Papa

Salve Papa

Titel: Salve Papa
Autoren: Wladimir Kaminer
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Waschtag im Kinderheim‹«, verkündete meine Tochter. In ihren kleinen Plastiktöpfchen brachten die beiden immer neue Portionen Leitungswasser herbei und kippten sie auf den Boden. Danach zogen sie ihre Arbeitsklamotten an, nahmen unsere Bettlaken als Waschlappen und fingen an, das Wasser durch das Zimmer zu jagen.
    »Sag bitte Mama«, befahl mir Nicole, »sie braucht im Wohnzimmer nicht mehr zu putzen. Nur vielleicht ein wenig staubsaugen. Und morgen nehmen wir uns dein Arbeitszimmer vor, außerdem werden wir auch noch alle Spiegel waschen, und dann wird in der Wohnung alles perfekt sauber sein.«
    Als Hobbyerzieher sah ich mich total überfordert und dachte fieberhaft nach. Den Kindern den Arbeitseinsatz zu verbieten und die improvisierten Waschlappen wegzunehmen, wäre pädagogisch gesehen ein grober Fehler. Aber aufmunternd zuzusehen, wie sie konsequent die ganze Wohnung versumpften, hielt ich auch für falsch. Die Kinder waren in ihrem Arbeitseifer aber nicht mehr zu bremsen und trugen bereits ein zweites Eimerchen Wasser ins Schlafzimmer. Außerdem wollten sie ihren freiwilligen Einsatz von mir bezahlt bekommen, mit einem Mindestlohn von acht Euro fünfzig die Stunde.
    »Hier, siehst du? Alles sauber! Also her mit dem Geld«, sagte meine Tochter. Anscheinend war dieses kapitalistische Preis-Leistungs-Verhältnis der wichtigste Teil des Spiels »Großer Waschtag im Kinderheim«.
    »Weißt du«, sagte ich, »das Geld kannst du nur von Fremden verlangen, nicht aber von deinen eigenen Eltern. Deine Mutter und ich haben euch mehrere Jahre lang den Po abgewischt, ohne etwas dafür zu verlangen.«
    Meine schlaue Tochter dachte kurz nach und sagte dann: »Na gut, dann können wir das gegenrechnen. Wie viel möchtest du fürs Powaschen?«
    Ich wollte bei meinen Kindern nicht allzu billig wegkommen. »Tausendfünfhundert Euro im Monat für die ersten drei Lebensjahre!«
    Das haute sie um. »So viel?«
    »Dafür war ich aber rund um die Uhr im Einsatz, und das gleich für zwei«, erläuterte ich meinen Preis.
    »Trotzdem zu teuer«, erwiderte mein Sohn.
    Sie wollten mich runterhandeln. Diese verfluchte Erziehung machte mich fertig. Zum Glück kam meine Frau rechtzeitig nach Hause. Sie schluckte, als sie den Sumpf in der Wohnung sah, war aber pädagogisch wie immer unschlagbar.
    »Ja«, sagte sie, »das ist sehr toll, dass ihr euch um Ordnung und Sauberkeit kümmert. Doch ihr müsst noch lernen, wie man richtig den Boden wischt. Erst einmal braucht ihr nicht so viel Wasser, zweitens haben wir die richtigen Waschlappen unter der Spüle.«
    Sie zog sich um und fing an, den Kindern die Geheimnisse des Aufwischens zu erklären. Aus der Erziehungspflicht entlassen, ging ich mit der Zeitung in die Küche. Man hörte das Klappern von Eimern und leise Belehrungen. Da draußen entstand langsam eine bessere, eine saubere Welt mit strahlenden Kindern … »Nur zu, macht weiter so«, murmelte ich erleichtert.
     

Warum geht alles so schnell kaputt?
    Als wir vor zwei Jahren in eine neue Wohnung zogen, dachte ich ernsthaft darüber nach, eine Tischtennisplatte in meinem Arbeitszimmer aufzustellen. Heute bekomme ich nicht einmal mehr ein Schachbrett da rein. Das Boot ist voll – und nicht mit Blumen und Fanpost, sondern mit kaputten elektronischen Geräten: Rechner, Monitore, Telefone, Videorekorder … Letzte Woche verabschiedete sich sogar mein fast neuer DVD-Player! Dabei wirkte er noch so frisch und gesund. Man kann dafür natürlich leicht den Kindern die Schuld in die Schuhe schieben, die den DVD-Player laufend verwirrten, indem sie ihm eine Scheibe Jagdwurst statt eines Films reinschoben. Ich glaube aber eher, dass der Kapitalismus schuld ist. Es fängt mit dem Überangebot an, das uns zickig und entscheidungsschwach macht. Frustriert blättert man in der endlosen Speisekarte der Konsumgesellschaft, die täglich dicker, poetischer und handgeschriebener wird. Wir können gar nicht wissen, was wir wirklich gerne hätten, denn diese Erkenntnis gewinnt man nur durch Vergleich.
    Aber wer wagt es schon, alles Angebotene auszuprobieren? Dafür reicht kein Menschenleben aus. Um einen festen Standpunkt in diesem Meer des Angebots zu gewinnen, versuchen es viele mit Verzicht. Diese aufgeklärten Nonkonformisten senken ihre Bedürfnisse bewusst auf das Lebensnotwendige, zum Beispiel im Bereich der Hauselektronik: Sie sagen Nein zu Playgames. Sie sagen Nein zum Fernseher und noch mal Nein zum schnurlosen Irgendwas. Alles, was sie für
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