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Salomes siebter Schleier (German Edition)

Salomes siebter Schleier (German Edition)

Titel: Salomes siebter Schleier (German Edition)
Autoren: Tom Robbins
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Teufel is der Unterschied? Hast du etwa Yankee-Manieren angenommen und machst dich über meine Art zu reden lustig? Was im Übrigen auch mal
deine
Art zu reden war.»
    «Nein, nein, Mami, keine Sorge. ‹Nackt› heißt, du hast nichts an. ‹Nackig› heißt, du hast nichts an und gewisse Absichten.»
    Patsy kicherte. «Ach so, Kleines, aber das hab ich schon hinter mir.» Sie senkte ihre Stimme, bis sie kaum mehr als ein Flüstern war. «Tatsache is, dass dein Daddy sich grad mit mir verlustiert hat, wie jeden Sonntagnachmittag. Ich hab gehört, die meisten dieser Einmal-die-Woche-Leute ziehn den Samstagabend vor, aber
irgendwie
muss dein Daddy sich ja von den anderen unterscheiden, nehm ich an. Ich schwör dir, ich glaub fast, dass irgendwas in Buddys Predigten ihn scharfmacht, genauso scharf wie die halbe fromme baptistische Weiblichkeit. Vielleicht is es auch der Football, ich hab keine Ahnung. Jedenfalls guckt er immer zuerst Football.» Patsy hielt inne und räusperte sich, um den kichernden Unterton aus ihrer Stimme zu vertreiben. «Na ja, vielleicht sollte ich ausgerechnet
dich
mit so intimen Einzelheiten verschonen. Obwohl du natürlich inzwischen selbst ein alter Ehehase bist.»
    «Boomer is okay, Mami.»
    «Gut. Von wo rufst du an?»
    «Aus irgendeinem Rodeokaff. Kurz vor Idaho, glaube ich. Man sollte meinen, dass es in einem solchen Ort, wo die Kühe praktisch auf der Hauptstraße weiden, gute Hamburger geben müsste, aber ich sage dir, in dem Rinderhack hier steckt mehr Sägemehl als in dem in Colonial Pines. Trotzdem hat Boomer schon zwei verdrückt. Er ist gerade beim dritten.»
    «Pass bloß auf den Jungen auf! Nich dass sich diese tollen Muskeln in Fettpolster verwandeln!»
    Bei diesen Worten warf Ellen Cherry einen Blick über die Schulter auf die Snackbar an der Straße, wo sie ihren muskulösen Bräutigam zuletzt gesehen hatte. Ungefähr ein halbes Dutzend Männer hatte sich staunend um den großen Truthahn versammelt, und Boomer stand mitten unter ihnen.
    «Nennt man euch Herrschaften eigentlich immer noch Cowboys?», fragte Boomer. Er nagte an der trockenen Brötchenrinde, die von seinem Hamburger übrig war, so wie heulende Wölfe manchmal an der Mondsichel zu nagen scheinen.
    Offensichtlich war der Teenager, an den er seine Frage gerichtet hatte, zu schüchtern, um zu antworten. Der junge Mann nahm die Gelegenheit wahr, seine Stiefel zu begutachten. Sah so aus, als könnten sie vor dem Sommer neue Sohlen gebrauchen.
    Einer der älteren Männer reckte den Hals aus dem blauen Overallkragen wie ein Ganter und besaß zumindest den Anstand, Boomer zu antworten. «Wie sollte man uns denn Ihrer Meinung nach sonst nennen?» Seine Stimme war träge und bedächtig, eine vollgefressene Viper, die langsam über einen Steinhaufen kriecht.
    «Ach, ich dachte halt, heutzutage würde man womöglich ‹Aufsichtspersonal für Rindvieh› sagen.» Boomer gluckste. Dann stopfte er sich das letzte Stück senfverschmierte Brötchenrinde in den Mund. «Irgendwo hab ich gelesen», sagte er und kaute genüsslich, «die präziseste Arbeitsbeschreibung für den guten alten Cowboy im Wilden Westen wäre ‹grobianisch-reaktionärer Landarbeiter›. Ich glaub kaum, dass
das
erstrebenswerter ist.»
    Allgemeines Stiefelscharren.
    «Oje», sagte Ellen Cherry.
    «Liebling, lass mich schnell was überziehen», drängte Patsy.
    «Mami, ich glaube, wir müssen los. Und zwar schleunigst. Ich hab dich lieb. Wiedersehen.»
    Vielleicht ist die Bewunderung für den Cowboy als Verkörperung des prototypischen amerikanischen Helden tatsächlich nicht mehr so verbreitet wie einst. Während seiner Reise durch das Reich des «Aufsichtspersonals für Rindvieh» von Wyoming sollte Can o’ Beans später einmal äußern, dass im Vergleich zwischen dem amerikanischen Cowboy und, sagen wir, dem japanischen Samurai Ersterer ziemlich alt aussah. «Bevor ein Samurai in die Schlacht zog», erzählte Can o’ Beans, «verbrannte er Räucherwerk in seinem Helm, damit dem Feind, der ihm vielleicht den Kopf abschlug, wenigstens ein angenehmes Aroma in die Nase stieg. Cowboys dagegen badeten oder wechselten ihre vor Dreck starrenden Klamotten so gut wie nie. Wenn der Feind eines Samurai sein Schwert verlor, überreichte ihm der Samurai sein Ersatzschwert, damit der Kampf auf ehrenwerte und faire Art weitergehen konnte. Cowboys spezialisierten sich darauf, ihren Gegnern hinter Büschen aufzulauern und sie von hinten zu erledigen. Seht ihr den
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