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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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in den Wagen. Nachdem er ihn gewendet hatte, wartete er mit laufendem Motor und beobachtete im Rückspiegel die Stelle, an der sie gleich erscheinen musste. Da war sie. Ihr zarter kleiner Körper stapfte auf den Wagen zu. Sie hob drohend die Hand, aber lächelte dabei. Jonas staunte, wie schön sie aussah. Als sie gerade neben dem Wagen war, gab er Gas. Lachend fuhr er den Berg hinab und sah sie im Rückspiegel ihm nachlaufen. Sie verschwand aus seinem Blickfeld, als er um die nächste Kurve bog. Genug geärgert, dachte er sich. Er wollte sie gleich noch einmal küssen, als Entschuldigung für seinen Spaß. Jonas hielt an und stieg aus. Möglichst cool drapierte er sich am Wagen und wartete darauf, dass sie um die Ecke kommen würde. Mit jeder Sekunde, die er so stand, wuchs die Vorfreude in ihm auf den Kuss. Jetzt musste sie gleich kommen. Sie würde ihn wieder knuffen, und er würde sie in den Arm nehmen. Wie im Film. Und sich nach dem kurzen ersten Kuss einen zweiten, längeren holen.
    Â»Anna«, rief er fröhlich. Sie machte absichtlich langsam, dachte er. Als er außer dem Rascheln der Blätter in der sanften Brise nichts hörte, löste er sich von seinem Wagen. So war das also: Sie lief ihm nicht einfach hinterher, sondern ließ ihn kommen. Das gefiel ihm. Er ging los. Lukas und Sven würden Augen machen, dass er mit ihr zusammen war. Und Daddy würde richtig stolz sein, dass sein Sohn so eine schöne Freundin hatte. Oder war sie ihm vielleicht doch böse?
    Als er um die Kurve bog, lag der schattige Asphalt leer vor ihm. »Anna?« Diesmal klang sein Rufen weniger fröhlich. Es kam jedoch noch immer keine Reaktion. »Hey, Anna, mach keinen Scheiß. Das war doch nur Spaß! Wo bist du?«
    Jonas schritt schneller aus, weiter den Berg hinauf, wobei sein Blick auch den steilen Hang über ihm und den etwas weniger steilen unter ihm streifte. Aber weder auf dem Weg noch zwischen den Bäumen war eine Spur von ihr zu sehen.
    Â»Anna!« Er war sich eigentlich sicher, dass sie gleich hinter einem Baum hervorspringen musste. Aber es passierte nicht. Auch hinter der nächsten Kurve war keine Spur von ihr zu sehen. »Anna, es tut mir leid. Mensch, ich wollte dich doch bloß ein bisschen ärgern. Wo bist du?« Er eilte bis ganz nach oben, bis auf das Plateau, wo der Wald aufhörte und man weit schauen konnte. Anna war nicht zu sehen.
    Â»Anna, jetzt komm endlich raus.« Er lief wieder zurück und bog in den Waldweg ein, aus dem sie gekommen waren. Bis zu ihrem Picknickplatz lief er und rief immer wieder ihren Namen. Außer Atem blieb er stehen. Im nahen Wald knackte ein Ast. Jonas schaute auf und ging zu dem Wäldchen, das ihm jedoch durch dichtes Unterholz den Eingang verwehrte. Jonas rief noch einmal, mittlerweile wütend über sich und über das Mädchen, das ihn so zum Narren hielt. Fluchend suchte er sich einen Weg durch die dichten Büsche. Ein Ast kratzte ihm dabei die Wange auf. Mit dem Handrücken wischte er sich über die pochende, leicht blutende Stelle.
    Als er es durch das Unterholz geschafft hatte, ging er bis auf die andere Seite des schmalen Waldstreifens und spähte über die Wiesen, aber auch da war nichts von ihr zu sehen. Dann wurde ihm klar, welches Spiel sie mit ihm trieb. Er lächelte wieder. Natürlich, er würde jetzt zurück zum Auto gehen und sie würde da lässig auf dem Beifahrersitz warten. »Wo warst du so lange«, würde sie sagen.
    Ein bisschen missmutig ging er zurück.
    Von hinten konnte Jonas Anna noch nicht sehen, was ihn wieder beunruhigte. Er lief auf den Fiat zu, achtete dabei nicht auf den Weg und stolperte. Fast wäre er gefallen, aber er fing sich wieder. Sekunden später war er am Auto angekommen und riss die Tür auf. Der Wagen war leer.
    Â»Anna«, sagte er wieder. Diesmal war seine Stimme viel leiser.
    Dr.   Watson hatte beschlossen, seinem Herrchen keine Ruhe zu gönnen. Rainer Maria Schlaicher versuchte seit einer guten Stunde, sich auf die vor ihm auf dem niedrigen Couchtisch liegenden Pläne, Karten und Notizzettel zu konzentrieren. Aber der Basset-Hound war alleine in der letzten halben Stunde dreimal lautstark die Holztreppe vom unteren Bereich der Wohnung nach oben zur Galerie getapert, wo Schlaicher auf dem Sofa saß, um zu arbeiten. Der schwere Basset war dann jedes Mal auf die Couch gesprungen, hatte sich genüsslich
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