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Sag's Nicht Weiter, Liebling

Sag's Nicht Weiter, Liebling

Titel: Sag's Nicht Weiter, Liebling
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laut zischend aus der Dose und platscht auf den Tisch, ertränkt Papiere und Schreibunterlagen in knallroter Flüssigkeit … und, nein, bitte nicht … landet auf Doug Hamiltons Hemd.
    »Scheiße!«, japse ich, »ich meine, tut mir wirklich Leid …«
    »Herr im Himmel«, flucht Doug Hamilton gereizt, steht auf und zieht ein Taschentuch heraus. »Geht das Zeug wieder raus?«
    »Äh …«, ich greife hilflos nach der Dose. »Ich weiß nicht.«
    »Ich hole mal einen Lappen«, sagt der andere und springt auf.
    Die Tür schließt sich hinter ihm, und es ist still, nur das langsame Tröpfeln des Preiselbeerdrinks auf den Boden ist zu hören.
    Ich starre Doug Hamilton an, mein Gesicht glüht, und in den Ohren rauscht mir das Blut.
    »Bitte …«, sage ich und muss mich erst mal räuspern, »erzählen Sie das nicht meinem Chef.«
     
    Jetzt habe ich es doch noch vermasselt.
    Ich lungere in der Wartehalle des Glasgower Flughafens herum und bin völlig niedergeschlagen. Doug Hamilton war dann eigentlich noch ganz süß. Er sagte, der Fleck würde bestimmt rausgehen, und er hat versprochen, dass er es Paul
nicht erzählt. Aber seine Meinung über den Deal hat er trotzdem nicht mehr geändert.
    Mein erstes wichtiges Meeting. Meine erste große Chance - und dann so was. Am liebsten würde ich gleich alles hinschmeißen. Am liebsten würde ich im Büro anrufen und sagen: »Das war’s, ich komme nicht mehr, und übrigens war ich das damals mit dem Papierstau im Kopierer.«
    Geht aber nicht. Das ist meine dritte Stelle in vier Jahren. Diesmal muss es funktionieren. Schon für mein Selbstwertgefühl. Für mein Selbstbewusstsein. Und außerdem, weil ich meinem Dad viertausend Pfund schulde.
    »Was darf’s denn sein?«, fragt ein Australier, und ich schaue benommen zu ihm auf. Ich war eine Stunde zu früh am Flughafen und habe schnurstracks die Bar angesteuert.
    »Ähm …«, mein Kopf ist ganz leer. »Äh … ein Weißwein. Oder halt, einen Wodka-Tonic, bitte.«
    Als er geht, sacke ich wieder auf dem Barhocker zusammen. Zwei Plätze weiter setzt sich eine Stewardess mit Mozartzopf. Sie lächelt mich an, und ich lächle schwach zurück.
    Ich habe keine Ahnung, wie andere Leute ihr Berufsleben auf die Reihe kriegen, echt nicht. Zum Beispiel meine alte Freundin Lissy. Sie wollte schon immer Rechtsanwältin werden - und jetzt, ta-daah! ist sie Fachanwältin für Betrugsangelegenheiten. Ich hatte nach der Schule keine Ahnung, was ich werden wollte. Zuerst habe ich bei einem Immobilienmakler gearbeitet. Aber nur, weil ich schon immer gerne Häuser angeguckt habe, und außerdem hatte ich auf einer Jobbörse eine Frau mit rot lackierten Fingernägeln kennen gelernt, die mir erzählte, dass sie so viel Geld verdient, dass sie sich mit vierzig zur Ruhe setzen könnte.
    Aber dann fand ich es vom ersten Moment an schrecklich. Es war furchtbar, solche Floskeln zu benutzen wie »in reizvoller Lage«. Und es war furchtbar, dass wir, wenn jemand nach
eigenen Angaben 300.000 Pfund zahlen konnte, ihm Häuser ab 400.000 Pfund vorstellen und ihn schräg angucken sollten, wie um zu sagen: »Sie haben nur 300.000? Ach Gott, wie armselig.«
    Also habe ich nach sechs Monaten verkündet, dass ich lieber Fotografin werden wollte. Das war so ein toller Moment, wie im Film oder so. Mein Dad lieh mir das Geld für den Kurs und die Kamera, und ich schlug diesen großartigen neuen, kreativen Weg ein, der der Beginn eines neuen Lebens werden sollte …
    Nur hat das nicht ganz geklappt.
    Ich meine, haben Sie eine Ahnung, was man als Foto-Assistentin so verdient?
    Nichts. Echt nichts.
    Was mir sogar egal gewesen wäre, wenn man mir nur eine Stelle als Foto-Assistentin angeboten hätte.
    Ich seufze tief und starre mein trauriges Spiegelbild hinter der Bar an. Zu allem Überf luss ist mein Haar, das ich heute Morgen so sorgsam glatt gegelt habe, ganz kraus. Typisch.
    Wenigstens war ich nicht die Einzige, aus der nichts geworden ist. Von den acht Leuten aus meinem Kurs hatte eine sofort Erfolg und macht jetzt Fotos für Vogue und so, einer knipst auf Hochzeiten, eine hatte ein Verhältnis mit dem Kursleiter, eine ist auf Reisen gegangen, eine hat ein Baby bekommen, einer arbeitet bei Snappy Snaps und einer bei Morgan Stanley.
    Ich habe mich im Laufe der Zeit immer mehr verschuldet, habe Zeitarbeit gemacht und mich auf Stellen beworben, die einfach nur bezahlt wurden. Und vor elf Monaten habe ich schließlich als Marketing-Assistentin bei der Panther Corporation
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