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Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)

Titel: Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)
Autoren: Emil Sommer
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mansfeldischen Dörfern, welche dieses Fest begehen, keine andern Frühlingsgebräuche vorkommen. – Zu dem Bocke mit vergoldeten Hörnern, in dem schon Grimm, Myth. 48, ein Opferthier sieht, ist zu vergleichen daß, wie Kosche, Character Sitten und Religion aller bekannten Völker (Leipzig 1791) 4. Band S. 481, berichtet, in den Theilen Deutschlands, welche von Sorbenwenden bewohnt sind, an verschiedenen Orten am Jacobitage (25. Juli) noch im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts ein Bock mit vergoldeten Hörnern von einem Kirchthurme oder vom Rathhause unter Musik, mit Bändern geschmückt, hinabgestürzt wurde: sobald er unten ankam, stach man ihm das Blut ab, welches gedorrt für ein kräftiges Heilmittel in vielen Krankheiten galt. Ob die Sitte noch besteht ist mir nicht bekannt: auf Thor könnte auch sie sich beziehen, da aus dem deutschen Cultus Einzelnes in den slavischen überging und schon nach Ordericus Vitalis (s. Giesebrecht Wendische Geschichten 1,57) Odhinn, Thor und Frigg auch bei den Luitizern verehrt wurden. Einen ähnlichen Gebrauch führt Coremans, L'année de l'ancienne Belgique S. 53, von Ypern an, wo man am Mittwoch der zweiten Fastenwoche Katzen vom Thurme stürzte: der Tag heißt danach noch jetzt in Ypern Kattewoensdag (Katzenmittwoch) oder Kattedag. - Ob das Rind und die Semmeln demselben Gotte dargebracht wurden, der den Bock empfing, läßt sich nicht bestimmen: durch das Rind scheint bei den Frühlingsopfern die Viehzucht, durch die Semmeln der Ackerbau vertreten zu werden. - Daß man jetzt meint, der Bock müsse nicht vergoldete, sondern ganz goldene Hörner haben, und daß man die Tonne Mückenfett an die Stelle des Rindes gesetzt hat zeigt nur den in volksthümlichen Überlieferungen oft wiederkehrenden Fortschritt von der Sage zum Märchen, welches, dem Spiele der Phantasie sich freier überlassend, das Wunderbare häuft und nicht mehr, wie die ernstere Sage, in gewissen Grenzen der Wahrscheinlichkeit sich zu halten strebt, weil es nicht mehr in gleichem Grade wie sie darauf Anspruch macht geglaubt zu werden. - Unter der Königin Elisabeth und der mansfeldischen Gräfin ist vielleicht die heilige Elisabeth, die Landgräfin von Thüringen, zu verstehen, welche nach dem Tode ihres Gemahls von Heinrich Raspe, seinem Bruder, mit ihren Kindern von Wartburg vertrieben wurde.

     

    Pfingsten. Das Brautpaar ist deutlich der Frühlingsgott und der Frühlingsgöttin, der Maikönig und die Maibraut, die wie noch schüchtern nahend sich vor den Menschen verbergen, doch von ihnen aufgesucht und in die Dörfer geführt werden. - Der Gegensatz des Sommers und Winters zeigt sich in dem Spiele »Den alten Mann ins Loch karren«; denn als Puppe aus Stroh und Lumpen kommt der Winter in vielen Gegenden vor (Myth. 724ff.): hier scheint also der Winter, welcher in seiner Entkräftung passend der alte Mann heißt, feierlich zu Grabe gelegt zu werden, und darauf tanzt man um den Frühlingsbaum. Auch der in umgekehrte Pelze gehüllte Schellenmoriz stellt sich durch diese seine Tracht als Winter dem in Laub gekleideten Bischof, dem Sommer, gegenüber: zu der Benennung Bischof weiß ich nur Mönch in Sage 32 und Seebischof, wie in Wolfs deutschen Sagen 246 ein Nix genannt wird, zu vergleichen. – In dem Spiele »Den Mann stechen« erscheint der Winter allein: bei dem Jungfernstechen und Kranzreiten aber ist keine bestimmte Erinnerung an den Kampf des Sommers und Winters mehr erhalten. – Die Sitte den wilden Mann, den man aus dem Walde holt, in Moos einzuhüllen ist ohne Zweifel älter als die ihn bunt zu färben oder beliebig zu verkleiden; denn daß die Waldgeister, wenn nicht stets, doch bisweilen als mit Moos bedeckt gedacht wurden zeigt bereits die Benennung Moosleute, auch wird es Deutsche Sagen 1, 48 ausdrücklich gesagt: für einen Schrat aber dürfen wir den wilden Mann schon nach seinem Namen halten (s. die Anmerkung zum 2. Märchen). Doch welche Bedeutung hat der Gebrauch einen Schrat aus dem Walde zu holen, nach ihm zu schießen und, da er nicht getödtet wird, ihn gefangen im Dorfe umher zu führen? Die Aufsuchung desselben ist dem »Brautpaar suchen« ähnlich und ließe sich auf die Einholung des Frühlings deuten: daß er jedoch bekämpft und in Banden wie zum Hohn in das Dorf gebracht wird erinnert mehr an den Winter, der, wie ich glaube, auch in einem märkischen Gebrauche gemeint ist, nach welchem der Bursche, der beim Mairennen zuletzt am Ziele ankommt, als »der lahme Zimmermann«
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