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Sagen aus Niederösterreich

Sagen aus Niederösterreich

Titel: Sagen aus Niederösterreich
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Besucher in seine Hütte und langte vom Wandbrett den Würfelbecher herab. Bald klapperten die Würfel auf der Tischplatte. Leonhard tat den ersten Wurf. Mit zitternder Hand ließ er die Würfel aus dem Becher rollen, jeder zeigte fünf Augen. »Zehn«, hallte es dumpf von den Lippen des Fremden, der nun nach dem Becher griff. Gespannt folgte Leonhards Blick den tanzenden Würfeln, bis sie zur Ruhe kamen. Fünf Augen zeigte der eine, vier der andere Würfel. »Neun«, jubelte der Köhler; seine Augen leuchteten. Wortlos reichte der Rote dem glücklichen Gewinner den prallen Beutel, den dieser voll Freude entgegennahm.
    Unterdessen war Gertrud, des Köhlers Gattin, die im Wald Holz geschlichtet hatte, in die Stube getreten. Als sie den Hageren im grauen Mantel erblickte, gab es ihr einen Stich. Doch der Gast nahm den Köhler beiseite und forderte ihn auf, nun ein Kegelspiel mit ihm zu wagen. Dabei hielt er ihm wieder einen Beutel voll Gold vor die Augen. Da entgegnete die Frau schüchtern, es seien weder Kegel noch Kugeln zur Hand; in die Schenke solle der Ehemann aber nicht gehen, der dampfende Meiler erfordere dringend seine Anwesenheit Da lächelte der Rote und meinte, mit seinem Gold klimpernd, es sei gar nicht nötig, in das entfernte Wirtshaus zu gehen; unweit der Hütte wisse er einen Platz, der zur Not genüge, einen Meisterschub zu tun. Neun zubehauene Holzklötze können die Kegel ersetzen, und für die Kugel wolle er sorgen.
    Während Meister Leonhard aus seinem Holzvorrat geeignete Stücke heraussuchte und sich damit belud, eilte der Fremde zum Fluß und langte wie von ungefähr ein kugelrundes Geröllstück aus dem Wasser, das bei der Berührung mit seiner Hand schäumend aufzischte.
    Gertrud fühlte einen Schauder über ihren Rücken rieseln, als sie den beiden nachsah, die miteinander dem Wald zuschritten. Ein unheimliches Gefühl sagte ihr, daß es mit dem Fremden nicht geheuer sei, zumal sie das Aufbrausen des Wassers vernommen hatte, als er mit der Hand in den Fluß griff. Außerdem schien ihr, als ob der Graumantel hinke. Ein Stoßgebet murmelnd, schlich sie den beiden in den Wald nach.
    Hinter dem Stamm einer alten Eiche verborgen, sah sie nun, wie sich ihr Mann zum Schub anschickte, während sein Begleiter sagte: »Es gilt also wie vorher, dieser Beutel voll Gold gegen deinen Kohlenhaufen.«
    Der Köhler nickte zustimmend.
    Ängstlich verfolgte Gertrud das Tun ihres Ehegatten. Sie bemerkte, wie der Rote höhnisch grinste, aber wie von einer geheimnisvollen Macht überwältigt, war sie unfähig, sich zu rühren oder einen Laut hervorzubringen. Sie zitterte am ganzen Leib, als Leonhard die Kugel warf. Ein heftiger Windstoß fuhr durch die Baumkronen, die Äste bogen sich knarrend, während die Kugel mit seltsamen Sprüngen die Bahn entlangrollte und mit dumpfem Knall die aufgestellten Holzstücke traf. Es klang wie rollender Donner, als die Kegel polternd durcheinanderfielen.
    Der Köhler tat einen Freudensprung »Alle neun!« rief er.
    Gertrud glaubte vor Angst vergehen zu müssen, als der Rote die Kugel schwang und zum Wurf ausholte. Es schien ihr, als ob Feuerfunken aus der Kugel sprühten, tobend heulte der Sturm und warf ihr abgebrochene Zweige ins Gesicht Plötzlich blendete ein grelles Licht ihre Augen, ein Donnerschlag erschütterte die Luft, und dann noch einer und wieder einer. Alles Blut drang der Entsetzten zu Kopf, bis auf einmal eine schauderhafte Stimme das Brausen des Sturmes übertönte: »Alle zehn! Alle zehn!« – Ohnmächtig sank Gertrud zu Boden.
    Als das arme Frauenzimmer wieder zu sich kam, herrschte Stille im Wald. Das Unwetter hatte sich verzogen, der Mond warf seine bleichen Strahlen durch das Laubdach. Stöhnend richtete sich Gertrud auf und näherte sich langsam der unheimlichen Kegelbahn. Im vollen Mondlicht bot sich ihr ein grausiges Bild. inmitten der umgeworfenen Kegelhölzer lag mit verzerrten Zügen die Leiche ihres Ehegatten. Von seinem finsteren Kegelpartner war keine Spur zu sehen.
    Mit einem Jammerschrei warf sich Gertrud über den Körper ihres toten Ehemannes, vergebens suchte sich noch ein Lebenszeichen an ihm zu entdecken. Dann hob sie ihn mit übermenschlichen Kräften auf ihre Schultern und trug ihn den Berg hinab, ihrer stillen Behausung zu. Aber nur ein rauchender Trümmerhaufen bezeichnete den Ort, wo früher die Hütte gestanden war. Auch der Kohlenmeiler war fort Der Satan hatte den Einsatz des Köhlers samt dessen Seele mit sich genommen.
    Sieben
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