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Sagen aus Niederösterreich

Sagen aus Niederösterreich

Titel: Sagen aus Niederösterreich
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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für immer verschont.

Das Zauberschloß zu Grabenweg
    Wilde zerrissene Felsen, kahle Hänge, deren Gipfel mit Schnee bedeckt waren, erhoben sich einst zu beiden Seiten des anmutigen Tales, in dem heute das Dorf Grabenweg bei Pottenstein liegt. Nur wenige Ansiedler bewohnten die unwirtliche Gegend, in der gerade nur ein paar genügsame Schafherden, die die Menschen ihr Eigen nannten, kärgliches Futter fanden.
    Auf den wenigen Grasplätzen zwischen den schroff emporragenden Felsen weidete damals ein junger Schäfer täglich seine Herde. Es war gerade zur Zeit, da im Flachland draußen die Sommersonnenwende gefeiert wurde, als der Jüngling wieder einmal seine Herde die abschüssigen Hänge hinantrieb. Droben überließ er die weidenden Tiere der Aufmerksamkeit seines Hundes und lagerte sich auf sein Lieblingsplätzchen, einen kleinen Felsvorsprung, der ihm einen wunderbaren Blick über die Felsenhäupter gewährte. Nach einiger Zeit zog er seine Flöte aus seiner Schäfertasche hervor und begann gar liebliche Weisen zu spielen. Plötzlich war es ihm, als bewege sich der Felsen unter seinem Rücken. Erschrocken sprang er auf und tat ein paar Schritte zur Seite. Ein seltsames Donnern und Rollen erscholl im Erdinnern, die Felsen klafften auseinander, und der mächtige Felsblock, worauf er eben noch gelegen war, versank in die Tiefe. Zugleich hörte er ein geheimnisvolles Knistern und Rauschen, ein heller Glanz blendete seine Augen, und als er sie wieder öffnete, erblickte er an der Stelle, wo eben noch der kleine verwitterte Fels über den Steilhang hinausgeragt hatte, einen herrlich glitzernden Kristallpalast.
    Mit erstaunten Blicken betrachtete der arme Junge die strahlende Herrlichkeit, die da mitten in dem kahlen Felsengebirg vor seinen Augen aus dem Boden gewachsen war. Eine prächtige kleine Säulenhalle bildete den Eingang in das schimmernde Innere des Palastes. Die schlanken Säulen waren aus reinstem Bergkristall gehauen und mit goldenen Zieraten geschmückt. Die Stufen, die zur Vorhalle hinaufführten, erglänzten von hellstem Silber, die hohe Flügeltür aber im Hintergrund des Verbaues strahlte in buntem Schmuck blitzender Edelsteine. Das Innere des Zauberpalastes blieb den Augen des Jünglings verschlossen. Während er wie geblendet die ungeahnte Herrlichkeit anstarrte, ertönte fern in den Bergen der Klang eines Glöckleins, das einen frommen Klausner zum Gebet rief. Rein und klar schallte der helle Klang durch die Lüfte, und als der letzte Ton sanft nachzitternd verklungen war, ließ sich zuerst leise, dann immer heller und stärker eine glockenreine Stimme in Innern des wunderbaren Palastes vernehmen, die ein liebliches, sinnbetörendes Lied sang. Hingerissen von dem herzerhebenden Gesang, griff der junge Schäfer nach seiner Flöte und begleitete die unsichtbare Sängerin mit harmonischen Weisen.
    Endlich verstummte das herrliche Lied drinnen in dem kristallenen Palast, die funkelnde Flügeltür öffnete sich, und auf der Schwelle stand eine holde Mädchengestalt im Zauber jugendlicher Schönheit, die schlanken Glieder in schimmerndes Weiß gehüllt. Der entzückte Jüngling wandte kein Auge von der wunderbaren Erscheinung. Diese näherte sich lächelnd dem Hirten und küßte ihn auf die Stirn.
    »Du hast, mein lieber Knabe«, flüsterte sie in wohllautenden Tönen dem Verwirrten zu, »durch dein liebliches Flötenspiel am heutigen Tag und an dieser Stelle einen Teil des fürchterlichen Bannes gebrochen, der mich so lange hier gefangen hielt. Es hängt nun von dir ab, ob du auch den noch bestehenden Zauber zu lösen vermagst. Dieser Kristallpalast mit den unermeßlichen Schätzen, die drinnen aufgehäuft sind, und meine Hand sollen der Lohn für diese Tat sein.« Während sie den Jüngling flehend anblickte, fuhr sie in beschwörendem Ton fort: »Sag, willst du es wagen, mich zu befreien?«
    Der Schäfer, der stumm den Worten der holden Jungfrau gelauscht hatte, schien gleichsam aus einem Traum zu erwachen. Seine Wangen röteten sich, Mut und Entschlossenheit blitzten aus seinen Augen. Mit bebenden Worten versprach er, alles zu unternehmen, damit das schöne Mädchen von dem bösen Zauber befreit werde. »Was kann ich dazu tun?« fragte er erregt.
    »Deine Aufgabe«, erwiderte die Jungfrau, »wird durchaus nicht leicht sein. Du mußt dich mit fester Entschlossenheit und unerschrockenem Mut wappnen, um das schwere Werk, das dir bevorsteht, vollbringen zu können. Merk auf, was ich dir nun sage! Jedes
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