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Sagen aus Niederösterreich

Sagen aus Niederösterreich

Titel: Sagen aus Niederösterreich
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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seine Tat mit leisen Worten dankte.
    Ein weiteres Jahr war vergangen. Wieder kam die Zeit der Sommersonnenwende, und wieder war alles wie im Vorjahr. Aber als er diesmal die Tür des letzten Gemachs öffnete, da sprang ihm zähnefletschend ein gräßliches Ungeheuer entgegen und riß mit schrecklichem Geheul den Rachen weit auf, als wolle es ihn verschlingen. Wieder drohte der Mut den Jüngling zu verlassen, und schon war er im Begriff zu fliehen, als ihm noch rechtzeitig die Worte der verzauberten Jungfrau in den Sinn kamen. Mutig blieb er stehen, legte trotz des furchtbar dräuenden Rachens herzhaft seine Arme um den Hals des scheußlichen Ungetüms und drückte einen Kuß auf dessen Stirn.
    Wie mit einem Zauberschlag war das schreckliche Untier verschwunden, holde zauberische Mädchengestalten umgaukelten den Jüngling, und eine himmlische Musik erfüllte alle Räume des kristallenen Palastes. Während der junge Schäfer verzückt den lieblichen Tönen lauschte und mit bewundernden Blicken die reizenden Jungfrauen betrachtete, in deren Mitte ihm seine holde Bekannte mit freundlichen Blicken ihren Dank zuwinkte, wichen die Wände des Feenpalastes langsam zurück und versanken vor seinen Augen in die Tiefe. Die Felsen schloßen sich wieder, und unverändert ruhte die Felsplatte auf ihrem alten Platz.
    Als der Schäfer aber seine Blicke umherschweifen ließ, gewahrte er, da0 die zerklüfteten Felsen vollens verschwunden waren. Sanft gerundete Hänge und Höhen breiteten sich auf, üppig grünende und blühende Bäume und Sträucher nahmen den Blick gefangen. Wo eben noch seine Schafe an den kärglich zwischen den Steinen sproßenden Halmen knabberten, bedeckte saftiges Gras den allmählich sich senkenden Abhang. Zwischen den Bergzügen aber hatte sich ein liebliches Tal gebildet, auf dessen Grund ein silberklares Bächlein murmelnd sich hinwand.
    Gern stieg der Jüngling in der folgenden Zeit mit seiner Herde zu der freundlichen Weide hinauf, wo inmitten des üppigen Grüns sein Felsblock auf den Tag der Entscheidung harrte.
    Endlich war auch das dritte Jahr vergangen, und der Schäfer, nun nicht mehr ein schüchterner Knabe, sondern ein schöner, kräftiger Jüngling verbrachte die Nacht vor dem Sonnwendtag auf dem Felsen am Berg und entlockte seiner Flöte die herrlichsten Töne. Als die Sonne emporstieg und das Glöcklein verklungen war, erscholl ein furchtbares Donnergrollen, daß die Erde erbebte, und das Zauberschloß stand vor dem erschrockenen Schäfer da.
    Aber wie anders sah es heute aus! Bläuliche Flammen züngelten aus den Fenstern gegen Himmel empor, ein gräßliches Ungetüm bewachte den Eingang. Aber unerschrocken ging der Jüngling auf das Tier zu, das knurrend vor ihm zur Seite wich. In allen Gämächern herrschte ein betäubender Lärm, häßliche Kobolde sprangen um ihn herum, schnitten ihm greuliche Grimassen und schleuderten grelle Blitze vor seine Füße. Bekommenen Herzens, doch unentwegt, schritt der Schäfer dem letzen Raum zu und drückte entschlossen auf die Schnalle. die Tür öffnete sich und – mit schauerlichem Geheul stürzte ein mächtiger Lindwurm heran; wie zwei feurige Kugeln leuchteten seine Augen, lohende Flammen sprühten aus dem weit aufgerissenen Rachen. Entsetzt wich der Jüngling zurück und verlor jede Besinnung, als der scheußliche Drache ihn mit einer Flut von Feuer und Dampf übergoß. Hastig wandte er sich um und verließ in eiliger Flucht das entsetzliche Haus, verfolgt von dem schauerlichen Hohngelächter der tückischen Kobolde, die seinen Weg kreuzten.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung setzte er seinen Fuß auf den grünen Rasenplatz, der vor dem Zauberschloß lag. In diesem Augenblick ließ ein ungeheurer Donner die Erde erdröhnen, ein unheimliches Brausen und Zischen erfüllte die Luft, wüstes Geheul erhob sich im Innern des Zauberpalastes, und deutlich konnte der Jüngling die jammernden Hilferufe der schönen Jungfrau vernehmen. Jetzt erst, aber zu spät, kam ihm zu Bewustsein, daß er sein Versprechen nicht gehalten, das Feigheit ihn überwältigt habe. Als die Klagelaute immer deutlicher aus dem Palast drangen, erfaßte ihn namenlose Angst. Rasch entschlossen sprang er zur Tür, um der Rufenden zu Hilfe zu kommen, aber die Pforte war verschlossen. Mit aller Kraft stemmte er sich dagegen, das Tor sprang auf, da erfolgte abermals ein heftiger Donnerschlag, und Schloß und Jüngling waren von der Erde verschlungen.
    Niemand wußte, wohin der schöne
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