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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist
Autoren: Uwem Akpan
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Bestattungsunternehmen gab seine Leiche der medizinischen Fakultät, da wir die Rechnung nicht bezahlen konnten. Sie nannte Mercy, Babas zweite Kusine, die Einzige aus unserer Familie, die es bis zu einem Mittelschulabschluss brachte. Seit sie sich in einen Touristen aus Honolulu verliebt hatte und mit ihm durchgebrannt war, hatte sie uns nicht mehr geschrieben. Mama nannte Babas Schwester, Tante Mama, die uns bis zu ihrem Tod vor zwei
Jahren durch Herzversagen jeden Abend mit ihrer sanften, sehnsuchtsvollen Stimme Geschichten erzählt und Lieder über das Land unserer Ahnen beigebracht hatte.
    Donner grollte.
    » Bwana , Jesus, ich will nur hoffen, dass Naema dem Baby was angezogen hat, ehe sie los sind«, sagte Mama, die mitten im Satz leicht ins Stocken kam, da Otieno sie gebissen hatte.
    »Sie hat Baby in eine wasserdichte Tüte gesteckt. Mit Strickjacke drüber.«
    Als Otieno satt war, weckte er Atieno, die nach der anderen Brust langte, hatten sie doch schon immer alles gerecht miteinander geteilt. Sie nuckelte, bis sie wieder einschlief, woraufhin Mama sie sanft neben Otieno bettete und begann, Baba zu rütteln, bis der ein Auge aufmachte. Er lag mit dem Gesicht an die Wand gedrückt, seine Stimme vibrierte seltsam: »Essen.«
    »Gibt nichts, darling «, erwiderte Mama, »aber wir müssen die Namen all unserer Verwandten aufrufen.«
    »Wenn ich nicht bald was zu essen kriege, musst du meinen Namen auch noch aufrufen.«
    »Hier ist Essen – New Suntan - kabire .« Sie nahm mir die Flasche ab. »Damit gibt dein Magen bis nächste Woche Ruhe.«
    »Sind die Kinder da?«
    »Baby und Naema sind noch unterwegs. Letzte Schicht … Maisha auch.«
    »Ah, dann gibt's noch Hoffnung. Bestimmt bringt Maisha was Leckeres mit.«
    »Weihnachten ist für die Schulgebühren, schon vergessen?«
    Mama kramte wieder im Karton und förderte eine schmutzige, von Sandkörnern verklebte Kerze zutage, zündete sie an, stellte sie auf den Koffer und befestigte sie mit Wachs. Dann nahm sie die Bibel, las einen Psalm auf Kisuaheli vor und dankte Gott nach zwei Fehlgeburten für Baby und die Zwillinge.
Sie pries ihn, der Maisha zu Weihnachten mit weißen Kunden gesegnet hatte. Dann betete sie für Funny Eyes, eine junge japanische Freiwillige mit komischen Augen, die stets zuverlässig ein paar Schillinge in unsere Bettelschale warf. Sie trug die Autoreifensandalen der Massai und Ketten aus Karawa, die ihr wie Schlingen um den Hals hingen, erwiderte aber nie unsere Grüße oder unsere Blicke. Mama betete auch für den ehemaligen Vermieter im Slum Kibera, der uns unsere Sachen gelassen hatte, als er uns vertrieb, weil wir die Miete nicht zahlen konnten. Dann bat sie Gott, er möge Simba viele Welpen schenken. »Christus, du Sohn der Weihnacht, schenke Jigana für die Schule einen großen, klugen Kopf!«, schloss sie das Gebet.
    »Hab Erbarmen«, sagte ich.
    »Heilige Maria, Mutter der Weihnacht …«
    »Bitte für uns.«
     
    Es nieselte wieder, als Naema mit Baby zurückkam. Der Kleine schlief. Naemas Jeans, die Slipper aus Mutumba und ihr Zopf waren tropfnass, die großen Augen rot vom Weinen. Sonst kam sie meist angeschlendert, einen Song von Brenda Fassie auf den Lippen, aber heute Abend kroch sie bedrückt in den Verschlag.
    Sie gab Mama das Geld, die es sofort in ihrer Börse verschwinden ließ, und reichte ihr dann einen Karton pasteurisierte Milch. Er war noch halb voll, und Naema erklärte, sie hätte ihn kaufen müssen, damit Baby zu weinen aufhörte. Mama nickte. Die Milchtüte war durchweicht und drohte jeden Moment auseinanderzufallen. Mama nahm sie so behutsam entgegen, als würde ihr ein Diplom ausgehändigt. Als Naema dann noch einen halbgegessenen Truthahnschenkel hervorholte, zog Mama sie an den Ohren, weil sie dachte, Naema hätte ihn mit dem durchs Betteln verdienten Geld gekauft, aber Naema erklärte rasch, er wäre von ihrem neuen Freund. Der galt als
große Nummer in der Straßengang, die unsere Gegend kontrollierte, und war ziemlich gefürchtet. Maisha und ich fanden ihn widerlich, aber er liebte Naema wie seine eigene Zunge.
    Naema schmiegte sich mit ihrer schmalen Gestalt in das Durcheinander auf dem Boden und begann stumm zu weinen. Mama zog den anderen die Decke weg und legte sie dem Mädchen über die Füße, deren Haut durch den Regen ganz schrumplig geworden war.
    »Maisha zieht morgen aus«, sagte Naema. »Macht Vollzeit.«
    Mamas Gesicht erstarrte. Abschiede konnten einen Menschen zerbrechen, auch wenn das
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