Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist
Autoren: Uwem Akpan
Vom Netzwerk:
dich sehen die in dieser Hütte keinen Schilling mehr von mir. Niemals.« Sie sah mein Gesicht, hielt abrupt inne und begann plötzlich wieder zu kichern. »War doch nur Spaß, Kleiner, das mit dem Bordell. Nur Spaß, okay?«
    Sie kitzelte mich, zog mich in die Moi Avenue. Ich umklammerte ihre Hand. Wie geflügelte Termiten umflatterten Huren die Straßenlichter.
    »Unsere Eltern, Maisha …«
    Mit geballten Fäusten drehte sie sich abrupt zu mir um.
    »Halt die Klappe! Schäm dich, du Ratte. Lass mich in Ruhe. Ich kenn dich doch überhaupt nicht. Mich kannst du dir gar nicht leisten!«
    Die Mädchen drehten sich um, starrten uns an, glucksten. Maisha stolzierte davon. Es war falsch gewesen, vor den anderen Mädchen unsere Eltern zu erwähnen, sie wissen zu lassen, dass wir verwandt waren. Und ich hätte Maisha nicht mit ihrem richtigen Namen ansprechen dürfen. Ich weinte auf dem ganzen Heimweg, weil ich ihr weh getan hatte. Sie zeigte mir wochenlang die kalte Schulter.
     
    Irgendwann feierte Mama nicht länger, dass wir keine Schulden mehr hatten, fischte zwei kleine, wasserdichte Uchumi -Su
permarkttüten aus unserem Karton und strich sie glatt, als wären es zerknüllte Socken. Dann streifte sie sich die Tüten über ihre Leinenschuhe, band die Henkel zu Schleifen um ihre Knöchel und trat mit ihren geflügelten Galoschen, die wie Entenfüße übers Wasser platschten, auf die überschwemmte Straße. Sie begann, unseren Beutel mit Vorräten und Geschirr aufzuknoten, der an der Ziegelsteinmauer hing. Währenddessen blickte sie sich nach einem trockenen Flecken um, an dem sie den Ofen aufbauen und das Essen für die Zwillinge warm machen konnte. Aber der Regen wurde immer stärker, und irgendwann gab sie auf.
    »Sag mal, Jigana, hast du diese Typen von Maisha eigentlich gesehen?«, fragte sie.
    »Es waren drei Weiße plus Fahrer. Große, alte Männer in Kniebundhosen und Tennisschuhen. Ich habe ihnen die Hand geschüttelt. Tolles Auto … Ich habe sogar den Affen gekniffen.«
    »Ein Auto? Sie hatten ein Auto? Mann, ein Auto, um meine Tochter abzuholen!« Sie beugte sich vor, griff nach meinen Armen und lächelte. »Ist meine Tochter eine so große Nummer?«
    Otieno fuhr aus dem Schlaf hoch. Er stand wackelig auf den Kissen, kletterte dann über Mamas Beine und stützte sich mit einer Hand auf meinem Kopf ab, wälzte sich über mich und landete hockend vor dem Verschlag in der Flut. Dünne Fäden Kacke spulten ins Wasser, heißer Dampf stieg in die Nacht, seine Pobacken waren rot vor Kälte.
    Als Otieno in den Verschlag zurückkam, setzte er sich auf Mamas Beine, holte eine Brust heraus und begann schmatzend daran zu saugen. Mit der freien Hand grabschte er nach einem Spielzeug, das Maisha für ihn gekauft hatte, und fuchtelte mit der Rassel vor Mamas knochigem Gesicht herum. Sie sah immer noch ziemlich mager und untergewichtig aus, obwohl man sie, nachdem Baby aus dem Brutkasten gekommen
war, noch im Krankenhaus behalten hatte, um ihre Ernährung zu überwachen.
    Um mit unserer Weihnachtsandacht anzufangen, holte Mama die Familienbibel hervor, die wir von Babas Vater geerbt hatten. Der Buchdeckel fehlte, weshalb das erste Blatt eine schmutzige Seite mit den Namen all unserer Verwandten war, ob tot oder lebendig. Mama las sie vor. Mit Rücksicht auf die Unbeständigkeit eines Lebens auf der Straße hatte Babas erst kürzlich verstorbener Vater darauf bestanden, dass sämtliche Namen unserer Familie aufgeführt wurden. Mama begann mit ihrem Vater, den Viehdiebe ermordet hatten, kurz bevor sie nach Nairobi geflohen und mit Baba zusammengezogen war. Sie nannte Babas Mutter, die nach Nairobi gekommen war, als ihr Dorf dem Erdboden gleichgemacht wurde, weil irgendwelche Politiker die Stammesgrenzen neu ziehen wollten. Eines Tages verschwand sie dann mit ihrem Krückstock auf Nimmerwiedersehen in der Stadt. Mama rief die Namen unserer Cousins Jackie und Solo auf, die in ein anderes Dorf gezogen waren und uns über die Kirche Briefe schrieben, in denen sie unsere Eltern baten, ihnen Geld für die Schulgebühren zu schicken. Ich freute mich schon darauf, ihnen von den beleuchteten Parks und den tollen Autos von Nairobi zu erzählen, sobald mir die Lehrer das Schreiben beigebracht hatten. Mama nannte ihren Bruder, Onkel Peter, der mir gezeigt hatte, wie man in den Stadtbrunnen duschte, ohne von den Ordnungshütern ausgepeitscht zu werden. Aufgrund einer Verwechslung war er von der Polizei erschossen worden; das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher