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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist
Autoren: Uwem Akpan
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wie es gelb und warm im Dämmerlicht schimmerte. Obwohl sie von der Party gestern Abend noch betrunken zu sein schien, hielt sie die Hände so ruhig, dass beim Einschenken nicht mal die großen Glitzerarmreifen klirrten, die ihr auf einer Weihnachtsfeier der Kirche geschenkt worden waren. Als sie genug eingegossen hatte, richtete sie die Dose langsam wieder auf. Nach einem letzten Schwall floss stetig weniger Leim in die Flasche, bis der Strom zu einzelnen Tropfsträhnen versiegte, die schließlich wie Eiszapfen in der Luft erstarrten. Sie hielt die Hand über die Plastikflasche, damit der Geruch nicht verflog. Daran zu schnüffeln würde meinen Hunger dämpfen, falls Maisha ohne Festmahl zurückkam.
    Mama wandte sich zu Baba um und stieß ihn mit dem Fuß an. »Wach auf, du hast schon wieder seit Tagen nicht gearbeitet!« Stöhnend drehte sich Baba auf die Seite. Seine Füße ragten unter der wasserdichten Plane nach draußen, die Zehen linsten aus nassen Turnschuhen hervor. Mama stupste ihn noch
einmal an, und er begann die Beine zu bewegen, als liefe er im Schlaf.
    Draußen knurrte unsere Hündin. Mama schnippte mit den Fingern, und Simba kam rein. Ihr dicker, trächtiger Bauch schwappte bei jedem Schritt wie schwere Wäsche im Wind. Mama hatte ein Auge dafür, ob Hunde trächtig waren, und Simba so lange mit Zärtlichkeiten und Leckerbissen angelockt, bis sie uns gehörte; Mama wollte die Welpen verkaufen, um Geld für meine Schulbücher aufzubringen. Jetzt leckte die Hündin Atieno übers Gesicht. Wie eine einheimische Hebamme tastete Mama mit gekrümmten Fingern ihren Bauch ab. »Ach, Simba, dir ist die Geburt auf den Fersen«, flüsterte sie ihr ins Ohr, »wie meinem Jungen die Schule.« Sie scheuchte das Tier nach draußen. Simba legte sich auf Babas Füße, spendete ihm ihre Wärme. Manchmal bellte sie, damit sich keine fremden Hunde an unserer fahrbaren Küche zu schaffen machten, die an der Rückwand des Ladens lehnte.
    »Jigana«, fragte Mama mich plötzlich. »Wie ist es gestern eigentlich mit Baby gelaufen?«
    »Ich hab ein bisschen was eingenommen«, beruhigte ich sie und gab ihr eine Handvoll Münzen und Scheine. Sie steckte das Geld unter ihre shuka ; mit zweimaligem scharfem Furzen ratschte die Börse auf und zu.
    Auch wenn die Leute an Weihnachten großzügiger zu Bettlern waren, blieb Baby unser wichtigster Köder. Abwechselnd hielten wir den Passanten das Kleine ins Gesicht.
    » Aii! Weihnachten wie dieses Jahr hast du noch nicht erlebt, mein Kleiner.« Sie verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Und nächstes Jahr zahlen wir die Schulgebühren. Kein randa mehr, kein Rumgegammel. Kein Hirngebrutzel mehr mit Klebstoff, Junge. Du gehst wieder zur Schule! Hat euch der Regen erwischt, Baby und dich?«
    »Fing erst hier an«, sagte ich.
    »Und Baby? Wer hat ihn jetzt?«
    »Naema.«
    »Und was ist mit Maisha? Wann macht die ihre Runde mit Baby?«
    »Maisha ist ziemlich sauer, Mama.«
    »Das Mädchen macht mich fertig. Drei Monate schon, dass sie mich nicht mehr grüßt. Welche Käfer fressen der das Hirn weg?« Manchmal klangen Mamas Worte, als würde sie gähnen, so groß waren die Lücken zwischen ihren Zähnen. »Was ist? Nur weil sie jetzt mit ihrem Fahrgestell vor diesen Typen mit Geld rumwackelt, hält sie sich für was Besseres, wie? Was hat sie gesagt, warum will sie nicht mit Baby losziehen?«
    »Sie findet, das ist Kindesmissbrauch.«
    »Kindesmissbrauch? Arbeitet sie jetzt für 'ne NGO ? Findet sie es besser, eine Hure zu sein, als mit Baby zu betteln?«
    »Was weiß ich? Sie ist eben mit diesen Touristentypen losgezogen. Echte Weiße, musungu . Mit Affe.«
    Mama spuckte durchs Türloch. »Puuh, die kenn ich. Die sind nutzlos, zahlen nicht mal den Weihnachtsbonus – und dann lassen sie die Kleine noch von ihrem ma -Affen bumsen. Red mit dem Mädchen, Jigana. Oder willst du die Schule nicht zu Ende machen? Die Uniform allein bringt dir ja nichts.«
    Ich nickte. Ich wollte unbedingt wieder zur Schule; in zwei Tagen hatte ich die Uniform achtmal anprobiert. Das grün-weiß karierte Hemd und die olivgrünen Shorts waren schon ganz zerknittert. Ich langte in den Karton und strich über ein Uniformteil, das aus dem Durcheinander ragte.
    »Warum tatschst du immer die schöne Uniform ab?«, fragte Mama. »Geduld, Junge. Ist ja bald so weit.« Sie wühlte sich bis zum Kartonboden vor und vergrub das Päckchen. »Du hast bei Maisha einen Stein im Brett«, flüsterte sie. »Bitte, Jigana, sag
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