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Sag, dass du eine von ihnen bist

Sag, dass du eine von ihnen bist

Titel: Sag, dass du eine von ihnen bist
Autoren: Uwem Akpan
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so was wird von der Regierung verboten. Bedank dich bei den Nachbarn, Junge. Wo haben die nur diesen Hunger-Killer her?« Mit einem lauten Schmatzen gaben ihre Lippen ab und zu die Flasche frei. Je dunkler es draußen wurde, desto stärker quoll ihr Gesicht auf; immer öfter spitzte sie den Mund und biss sich auf die Lippen, um zu prüfen, wie taub sie waren. Sie wurden rot und schwollen an, bis sie wie die Lippen von Maisha aussahen, wenn sie sich geschminkt hatte.
    »Mama? Was können wir denn den Nachbarn zu Weihnachten schenken?«, fragte ich. Mir war eingefallen, dass wir unseren Freunden nichts gekauft hatten.
    Meine Frage holte sie zurück. »Benzin … wir kaufen ihnen einen halben Liter Benzin«, sagte sie und rülpste. Ihr Atem roch nach Karbid, dann nach saurem Wein. Als sie wieder aufsah, trafen sich unsere Blicke, und ich schaute verlegen zu Boden. Bei uns machokosh galt Benzin nicht so viel wie Klebstoff. Jedes Straßenkind, das was auf sich hielt, hatte einen eigenen Vorrat an kabire . »Okay, Sohn, nächstes Jahr besorgen wir ihnen was Besseres. Aber dieses Jahr will ich keinen Ärger mit der Polizei – also komm mir nicht auf dumme Gedanken.«
    Wir hörten zwei Betrunkene zu unserem Verschlag wanken. Mama versteckte die Flasche. Sie standen draußen und riefen, sie seien gekommen, um uns fröhliche Weihnachten zu wünschen. »Mein Mann ist nicht da!«, log Mama. Ich kannte die
Stimmen; sie gehörten Bwana Marcos Wako und seiner Frau Cecilia. Seit vier Jahren schuldete Baba ihnen Geld. Sie kamen, sobald sie Geld rochen, und dann musste Baba für ein paar Tage verschwinden. Als Baby geboren wurde, haben wir drei Viertel von Babas Sachen versetzt, um Schulden zu bezahlen. Eine Woche vor Weihnachten hatte uns das Paar dann überfallen und mit der Begründung, Schulden einzutreiben, Babas Arbeitssachen mitgenommen.
    Schnell warf ich Lumpen über den Koffer, langte in meine Hosentasche und umklammerte das rostige Messer, das ich immer bei mir trug.
    Mama und ich standen an der Tür. Bwana Wako hatte sich die Hose mit dem Gürtel um den Kopf geschnallt; die über den Rücken baumelnden Beine waren zugeknotet und mit ugali- Mehl vollgestopft, das er sich auf irgendeinem Straßenfest besorgt haben musste. Cecilia trug nichts als Jacke und Regenstiefel.
    »Ah, Weihnachten bei Mama Jigana- ni !«, sagte der Mann. »Vergiss das Geld. Schöne Feiertage!«
    »Jigana geht zur Schule, erzählt man sich«, sagte die Frau.
    »Wer hat denn das behauptet?«, fragte Mama misstrauisch. »Also ich mag keine Gerüchte.«
    Sie drehten sich zu mir um. »Freust du dich auf die Schule, Junge?«
    »Ich geh doch gar nicht zur Schule«, log ich, um mein Schulgeld besorgt.
    » Kai , wie die Mutter, so der Sohn!«, sagte die Frau. »Du weißt ja, du bist die Hoffnung deiner Familie.«
    »Hör zu, Mama Jigana«, sagte der Mann. »Maisha war letzte Woche bei uns. Ein gutes, verantwortungsbewusstes Mädchen. Sie hat uns angefleht, die Vergangenheit ruhen zu lassen, damit Jigana zur Schule gehen kann. So wollen wir es machen: Wir vergessen das Geld – ist unser Weihnachtsgeschenk für euch.«
    »Mit Bildung kannst du's weit bringen, Jigana«, sagte die Frau und drückte mir einen neuen Füller und einen Bleistift in die Hand. » Mpaka -Universität!«
    Mama lachte und sprang hinaus in die überschwemmte Gasse. Sie umarmte die beiden und erlaubte ihnen, zu unserem Verschlag zu kommen. Bwana Wako und Cecilia taumelten zur Tür und schwankten dabei wie Karnevalisten auf Stelzen.
    » Asante sana! «, bedankte ich mich, schraubte den Füller auf, bekritzelte meine Handteller und sog dann den herben Geruch des Hero- HB -Bleistifts ein. Mama zwängte sich zwischen die beiden und den Verschlag, um aufzupassen, dass sie ihn nicht zum Einsturz brachten. Baba flüsterte aus dem Inneren: »Ha, dasselbe haben sie letztes Jahr auch behauptet. Passt auf, morgen suchen sie wieder nach mir. Sorg dafür, dass sie diesmal was unterschreiben.« Mama holte rasch ein Blatt Papier, auf das sie ihre Unterschrift setzten, wobei sie meinen Rücken als Tisch benutzten. Dann torkelten sie davon; die vollgestopften Hosenbeine bammelten hinterdrein.
    Mama begann, ein Loblied auf Maisha zu singen, und versprach, nie wieder auf ihren Koffer einzuschlagen. Maisha war mit Baby und den Zwillingen vor kurzem im Kenyatta National Hospital zur Gesundheitsvorsorge gewesen. Und jetzt hatte sie dafür gesorgt, dass uns die Schulden erlassen wurden. Am liebsten wäre ich
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