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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Autoren: Annette Lies
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nach einem Triebwerksschaden auf Island zwischenlanden müssen, und man hatte die Crew von Reykjavik aus mit Horizon Express zurück nach Frankfurt transportiert. Ein hochromantischer Prozess, bei dem sich beide auf den ersten Blick unsterblich ineinander verliebt haben. Tagelang hatte ich von Boulevard-Titelblättern fantasiert, auf denen die große Liebe von Pessi-Malte ebenso zelebriert wird wie die von TomKat und hatte von Geburtsanzeigen geträumt, mit der Überschrift: »Die Schwangerschaftsstreifen meiner Frau sind die schönsten Streifen, die sich ein Pilot nur wünschen kann.«
    Ich ziehe eine Schublade auf und hole drei Korkuntersetzer heraus. Meine Schwester öffnet eine Packung Rahmspinat, von der ich hoffe, dass es nicht dieselbe ist, mit der wir vor Monaten Jessicas Beule gekühlt haben.
    »Ich gehe jetzt zur Apotheke, ich brauche frische Luft«, sage ich bestimmt.
    »Beeil dich aber, wir essen gleich.«
    Mein Gott, warum komme ich mir wieder vor wie fünfzehn?
    Kurz bevor ich zur Tür rauskomme, sieht mich meine Schwester durchdringend an.
    »Charlotte, ich mache mir einfach Sorgen! Das ist jetzt schon die zweite Krankheitsgeschichte, die ich mit dir mitmache.«
    Leider hat sie damit auch wieder hundertprozentig Recht.
    Ich befand mich auf einem Nachtflug. Man verlässt gegen neunzehn Uhr frohen Mutes das Haus, um um ein Uhr nachts, weit weniger froh, in einem uneinsehbaren Bergtal den dunklen Flughafen irgendeines Landes anzufliegen, das es nicht ins Schengener Abkommen oder die Währungsunion geschafft hat.
    Kurz nachdem die Gäste ausgestiegen sind, rauschen auch schon im Eilschritt wahlweise armenische, ukrainische oder algerische Reinigungskräfte durchs Flugzeug, ein blasser russischer Caterer füllt die leeren Öfen vom Herflug mit noch tiefgefrorenem Frühstück auf, und ich beschließe, auf dem Rückflug von Kiew nichts zu essen, schließlich findet nur achtzig Kilometer von Tschernobyl entfernt sicher noch die ein oder andere verstrahlte Kartoffel ihren Weg ins Aluminiumschälchen.
    Der physische Zustand, den man zu diesem Zeitpunkt erreicht, entspricht dem Erschöpfungszustand nach einem Samstag vor Weihnachten in der Innenstadt einer deutschen Großstadt mit Weihnachtsmarkt. Skyline beschreibt diese Verfassung offiziell als »Tagesrhythmustief«, was ich für maßlos untertrieben halte.
    Du stehst morgens um drei in einer kleinen Bordtoilette mit fahlem kalten Licht, bemüht, mit etwas Fruitgloss und Lidschatten auf kleinen geröteten Schlupflidern den Look der Oscars nachzuahmen.
    Aber als wäre das alles nicht schlimm genug, entpuppte sich speziell diese Nacht als Alptraum.
    Im Sinkflug auf Moskau setzte ein Schmerz in meinem Kopf ein, der mich fast ohnmächtig werden ließ. Bis zum Touchdown konnte ich nichts weiter tun, als zum Entsetzen meiner mitfühlenden Kollegen heulend auf der hinteren Crewbank auszuharren und zu spekulieren, woher der grauenhafte Druck in meiner Stirn, dem Kiefer, rund um die Augen und in den Wangen kam.
    In Anbetracht meines desolaten Zustands schlug der Kapitän mir vor, mich mit dem Zug zurückzubefördern, aber lieber wollte ich versuchen, den Rückflug zu überstehen, als mich nachts in irgendeinen russischen Zug zwischen Boris, Vladimir und eine Flasche Gorbatschow zu quetschen.
    Kurz nach der Landung um sechs Uhr zurück in München, diagnostizierte Dr. Eckert eine Chronische Pansinusitis .
    »Eine bei Flugpersonal häufig vorkommende Entzündung aller Hohlräume des Kopfes, die sich mit Sekret füllen, das nicht mehr abfließt und einen Druckausgleich unmöglich macht«, hatte er mir erklärt.
    Was im Übrigen ähnliche Schmerzen verursacht wie die, die schreiende Kinder oftmals bei der Landung haben, wenn bei ihnen Polypen dem Vorgang im Weg stehen. Leider lassen sich Eltern und Umsitzende da ungern von mir aufklären, sondern raunzen mich an, ich solle gefälligst Ohrentropfen holen, die es gar nicht gibt an Bord.
    Kurze Zeit später lag ich auf dem OP-Tisch der nächstgelegenen Poliklinik und hörte meine Notfalladresse, genauer meine Schwester, im Klinikflur wettern, dass sie wahlweise Skyline oder gleich Airbus verklagen würde, weil die Kabinenluft ja auch so trocken sei, dass das Ganze nichts weiter sei als »ein einziger Club Med für Streptokokken da oben«.
    Zu meinem nächsten Geburtstag bekam ich einen Inhalator mit einem Jahresvorrat Kampfer, ein Kamillenblüten-Aufguss-Set, und eine Nasendusche geschenkt, und ich muss zugeben, seit ich es
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