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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Autoren: Annette Lies
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Sorte Saskia ), verlegt er sich auf den Computer. Von meinem Anmeldeformular übernimmt er, wie ich sehen kann, die unerfreulichen körperlichen Fakten, die ich sonst nur den Verkäuferinnen bei Victoria’s Secret anvertraue.
    Langsam ist mir die Stille zwischen uns doch ein wenig unangenehm. Außerdem höre ich mein Herz dadurch umso lauter schlagen. Für gewöhnlich übertönen das die Triebwerke ganz gut, weswegen ich auch erst mal einige Monate mit meinen Problemen herumgelaufen bin, bevor ich sie selbst bemerkte.
    Schön, solange Dr. Renner seinen Job macht, tue ich halt auch etwas, das ich gut kann: Ruhe ausstrahlen, Gelassenheit, spürbare Sicherheit und auch ein bisschen Sitzkomfort, jetzt, da meine Schuhe ihre Parkposition erreicht haben. Dinge, auf die ich mich als Stewardess wirklich gut verstehe: fröhlich sein, wenn’s ruppig wird, entspannt aussehen, wenn der Blitz ins Flugzeug einschlägt. (Übrigens ein Ereignis, das den Passagieren weit mehr ausmacht als dem Flieger. Der muss danach lediglich einmal in die Wartung, während nicht wenige Gäste noch im darauffolgenden Schaltjahr beim Psychologen sitzen.)
    Dr. Renner sieht noch immer so beschäftigt aus, dass ich ihn nicht stören will. Und Zeit zum Nachdenken kann ich gut gebrauchen, normalerweise befragt man mich nämlich zu Umsteigeverbindungen, Auswahlessen, der Benutzung ferngesteuerter Autos an Bord oder den Öffnungszeiten des Schwarzwalds. Da ist mir die Frage zur Höhe meines Cortisolspiegels direkt willkommen.
    »Traumatische Erlebnisse«, das scheint mir spontan etwas hoch gegriffen – obwohl ich einen ausgeprägten Hang zur Melodramatik besitze, besonders zu Filmen in dieser Richtung. Neben meiner Geisha mit aufklappbarem Sonnenschirm aus Osaka und meinen in Delhi erworbenen Antikörpern gegen Amöbenruhr, erfüllt mich meine Blu-ray-Sammlung durchaus mit Besitzerstolz. Ein gutes Entertainment-System ist einfach ungeheuer wichtig, sowohl in einem Großraumflugzeug, als auch in den eigenen vier Wänden. Zum Beispiel, wenn man krank ist.
    Meine letzte Nasennebenhöhlenentzündung ist irgendwo zwischen Staffel zwei und fünf von Sex & the City ausgeheilt, ohne dass ich mich in zwölf Tagen Krankschreibung auch nur einmal gelangweilt hätte hinter meinem Bachblüten-Inhalator. Und Fluggäste kann man damit genauso über Stunden ruhigstellen. Im Grunde ähneln sich Flüge und Krankheiten ja auch: Man wartet, bis es vorbei ist. (Obwohl sich eine Langstrecke in meiner Obhut natürlich nicht wirklich mit einer fortschreitenden Influenza vergleichen lässt.)
    Entsprechend ist es ein größeres Problem, wenn das ganze System ausfällt, was im Übrigen keine Rückschlüsse auf den sonstigen technischen Zustand der Maschine zulässt, worauf ich auch erst lernen musste zu vertrauen. In solchen Situationen vertreiben sich Geschädigte die verbleibenden Flugstunden gerne mit Segnungen wie dem iSeismometer , mit dem man bei Turbulenzen wunderbar den Grad der Erschütterungen messen kann, um sich dann über mögliche Verletzungen zu beschweren, die man sich jetzt eventuell hätte zuziehen können. Vermutlich gibt es sogar eine App dazu, die bereits im Landeanflug auf Reha-Kliniken und Präzedenzfälle im Großraum Boston, Massachusetts, verweist. Was eben alles nicht passiert, wenn man auf 58D sitzt und gebannt verfolgt, wie der nackte Daniel Craig gefoltert wird oder Harry Potter Quidditsch spielt.
    Und auch ich hätte es ohne Filme nie geschafft, ein Skyline-Engel zu werden. Die meisten meiner Leinwandepen allerdings drehen sich nicht um Jagdbomber oder Katastrophenflüge, sondern um Liebesbeziehungen, die über Jahrzehnte hinweg spielen, vor dem Hintergrund politischer Wirrungen und gerne auch der Pest, wo die Leute dann erst mit neunzig feststellen, dass sie im selben Konzentrationslager waren oder in Wahrheit Geschwister sind. Auch den bislang einzigen Weinkrampf meines Lebens hatte ich am Ende einer Geschichte, in der ein Paar vor orangerotem Hintergrund im Bug eines mehrstöckigen Schiffes mit Vollpension steht und die Spannkraft seines Bizeps testet. (Noch Wochen später wagte ich mich nur mit einer Trillerpfeife in den Schaum meines Frei-Öl-Hautpflegebads.)
    Aber unter Trauma verstehe selbst ich eher so etwas wie Hungersnöte, Flutkatastrophen, Amokläufe, Waldbrände, über Tage hinweg keinen Internetzugang zu haben oder mit Naturlocken in feuchtwarme Gebiete zu reisen und dann in Hongkong festzustellen, dass das Glätteeisen nicht im Koffer
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