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Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Saftschubse - Lies, A: Saftschubse

Titel: Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Autoren: Annette Lies
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nach jeder Langstrecke anwende, bin ich wirklich nur noch selten erkältet.
    Mein Heilungsprozess verlief derart unkompliziert, dass mein HNO-Arzt verzückt darum bat, die Wundheilung meiner zum Niederknien anatomisch perfekt geformten Nasenmuscheln fotografieren und veröffentlichen zu dürfen.
    Ein halbes Jahr später fand ich Hochglanzaufnahmen meiner Siebbeinzellen und Keilbeinhöhlen im Journal of the Association for Research in Otolaryngologyin wieder, von dem sich bei meinen Eltern im Wintergarten noch heute einige Exemplare über dem alten Spiegel mit der Agentur auf dem Cover stapeln.
    Aber das hier ist wesentlich ernster.
    Wütend und verwirrt stehe ich minutenlang einfach nur wie angewurzelt auf dem Dorfplatz. Mit zwei vollen Tüten Medikamenten aus der Apotheke, dazu einer Gratispackung Tempo und einer einzeln verpackten Calcium-Brausetablette als Willkommensgeschenk für Neukunden – ein ziemlich trauriger Anblick für eine weltgewandte Kosmopolitin, der nichts mit alledem zu tun hat, was ich mir so vorgestellt hatte mit Erreichen der achtundzwanzig.
    Langsam trotte ich zum Haus zurück und vermisse dabei das laute lebendige Geräusch der Rollen meines Koffers auf dem Kopfsteinpflaster und das Klappern meiner High Heels.
    Nach dem Mittagessen stehen wir zu dritt in der Garage und sortieren meine Sachen, die noch immer in einer Ecke lagern.
    »Brauchst du das noch?« Meine Schwester deutet auf eine interaktive Yogamatte mit Begleitbuch in einer Farbe namens Cajun Shrimp .
    »Hm …«, mache ich unentschlossen.
    »Und das?«
    Mein Blick fällt auf einen Bildband der Komoren, den mein Schwager Justus in den Händen hält.
    »Nein. Ich sammle jetzt lieber echte Eindrücke«, antworte ich, diesmal sehr entschlossen.
    »Wo liegen die Komoren eigentlich?«, überlegt meine Schwester laut und beschriftet einen Umzugskarton mit Flohmarkt .
    »Zwischen Madagaskar und Afrika, Indischer Ozean«, antworte ich wissend und habe dabei lediglich die Air-Show vor Augen, die im Flug die geografische Position des Flugzeugs anzeigt. Mein Lonely Planet wandert in den Karton, ebenso jede Menge anderer Dinge aus meinem alten Leben am Boden.
    Nach diesem Kraftakt lassen wir uns ermattet auf die Stufen neben der Garage fallen.
    Meine Schwester sieht mich versöhnlich an. »So, also was ist jetzt dein Plan C?«
    Ich lächle. »Plan B ist mein Plan C.«
    Sie sieht vollkommen überrascht aus.
    Ich hole tief Luft für einen weiteren folgenschweren Satz: »Vielleicht hast du ja mal wieder … Recht .«
    Meine Schwester sieht jetzt aus, als hätte ich ihr gestanden, dass ich mich zu einer Geschlechtsumwandlung entschlossen habe.
    »Ich meine, es gibt ja auch viele gute Seiten …«, fahre ich fort und hebe ein Ahornblatt von der Erde auf.
    »Zum Beispiel, wenn ich mit der Crew in Buenos Aires in einer Churrascaria sitze, und wir erzählen uns Geschichten und lachen, oder wenn ich in Hongkong auf dem Peak stehe und die Sonne untergehen sehe oder in San Francisco mit dem Rad über die Golden Gate Bridge radele. Dann fühle ich mich wahnsinnig lebendig. Oder wenn ich manchmal nachts Getränke ins Cockpit bringe, und da sieht man dann rundrum riesige grüne Polarlichter aufblitzen …«
    Der Blick meiner Schwester wird nachdenklich.
    »Ich glaube, das ist wie eine Geburt. Wenn das Kind erst mal da ist, sind die Wehen vergessen. Sprich, wenn du erst mal da bist, sind die anstrengenden Flüge vergessen – und am Ende bleiben dir nur die schönen Erinnerungen.«
    »Meinst du?«
    »Nee, weiß ich.«
    Sie legt den Arm um mich und ich den Kopf an ihre Schulter.
    Verstohlen sieht sie sich nach Justus um und flüstert mir ins Ohr: »Wenn du wieder gesund bist, nimmst du mich dann mal mit?«
    Ich strahle. »Natürlich! Kommt doch einfach nächstes Jahr an Weihnachten beide mit! Nach Singapur?!«
    Sie strahlt jetzt auch. Es ist lange her, dass ich sie habe lächeln sehen, zumindest in meiner Gegenwart.
    »Abgemacht«, verkündet sie und dann wesentlich leiser: »Unter uns – ich muss mal raus aus dieser bayerischen Idylle …« Wir schweigen einen Moment lang, bevor sie aufsteht und sich ein paar Kieselsteinchen vom Hintern klopft.
    »Wollen wir morgen argentinisches Rindersteak essen?«
    »Ja. Aber nur mit der Steak-Sauce von ALDI, bitte.«
    Während wir zum Haus gehen, atme ich die klare Landluft ein. Sie riecht, wie wenn ich am Besucherpark aussteige und mich auf einen Flug freue, von dem ich nur weiß, wohin er geht. Aber nie, was er mir
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